Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
vielen Jahren. Ich kenne seine Lebensumstände, seinen Lebensstil. Kevin lebt ein wenig auf großem Fuß, und vermutlich ist sein Konto die meiste Zeit überzogen, aber nach meiner Meinung kann es sich dabei nicht um wirklich ernstzunehmende Beträge handeln. Nicht um Beträge, die ihn derart verrückte Dinge tun lassen...«
»Was meinen Sie mit verrückte Dinge? Bisher wissen wir ja nicht, ob... «
Alan lehnte sich nach vorn. »Ich finde es verrückt, heimlich in ein Haus zu schleichen, um aus dem Zimmer einer ermordeten Frau Geld zu stehlen. Er geht ein enormes Risiko ein dabei. Selbst wenn er mit Helenes Tod nichts zu tun hat, denn zumindest bringt er sich in den Verdacht, auf irgendeine Weise beteiligt zu sein.«
»Soviel ich weiß, hat er Gewächshäuser gekauft und sich dabei übernommen. «
»Gewächshäuser können einen Mann nicht ruinieren. Er mußte dafür sicher einen Kredit aufnehmen, und vielleicht ist er auch in ein paar Zahlungsrückstände hineingeschlittert, aber darüber hätte er nicht derart in die Klemme geraten können. Das konnte er Helene weismachen und vielleicht auch meiner Mutter - aber mir kommt in seiner Version manches ziemlich suspekt vor.«
Franca goß sich die nächste Tasse Kaffee ein. Sie fröstelte etwas, legte die Hände fester um das heiße Porzellan. Das Zimmer war nicht geheizt, und durch das schräggestellte Fenster krochen allmählich Kälte und Feuchtigkeit herein. Alan, der ihr leises Schaudern bemerkt hatte, stand auf und schloß das Fenster. Er blieb dort stehen, sah hinaus in den Garten, der im Regen versank.
»Da gibt es ja die Aussage des Taxifahrers«, sagte er, »wonach seinem Wagen ein anderes Auto folgte. Den ganzen Weg von Torteval bis Le Variouf. Was, wenn das Kevin war?«
»Er wäre wahnsinnig. Es ist reiner Zufall, daß der Taxifahrer nicht auf das Kennzeichen geachtet hat.«
»Wenn hinter Ihnen ein Auto mit aufgeblendeten Scheinwerfern und dazu sehr dicht heranfährt - und der Taxifahrer sagte, der fremde Wagen habe ihm fast im Kofferraum gestanden -, können Sie die Nummer nicht erkennen. Darauf kann Kevin gebaut haben.«
»Darauf würde er nicht bauen. Zu riskant.«
Alan drehte sich um und sah Franca an. Ihr fiel auf, wie konzentriert sein Blick war, wie wach und gespannt seine Züge. Sie sah etwas von jenem Mann in ihm, der er jenseits von Alkohol, durchzechten Nächten, wechselnden Bekanntschaften war. Sie erkannte den erfolgreichen, intelligenten Anwalt, den Mann, der strukturiert handelte, der beherrscht war und sich und sein Leben im Griff hatte. Sie begriff, wie stark diese Seite in ihm war, wie rasch sie aber auch zusammenbrechen konnte, wenn der Teufel Alkohol sein zerstörerisches Werk betrieb.
»Manches an diesem Abend ist höchst eigenartig«, sagte er, »wenn man bedenkt, wie andere Abende zwischen Kevin und Helene vorher verliefen. Helene kam noch nie im Taxi zurück. Kevin hat sie immer gefahren, immer. Das war ja wesentlicher Bestandteil der ganzen Zeremonie - daß er sie abholte und zurückbrachte wie ein... ein verliebter Jüngling seine Tanzstundenflamme. Um in Helenes Jargon zu bleiben. Denn es ging ihr um die Rekonstruktion einer möglichen Phase ihres Lebens, die sie nicht gelebt hat.«
»An jenem Abend war das Ritual aber von Anfang an durchbrochen«, erinnerte Franca. »Kevin holte Helene nicht ab. Beatrice brachte sie hin.«
»Ja, weil Helene diesmal nicht allein eingeladen war. Es war ja wohl nur Zufall, daß sie...« Alan unterbrach sich. »Weshalb«, fragte er, »ist meine Mutter eigentlich nicht geblieben? Bei Kevin. Weshalb hat sie sich den ganzen Abend auf den Klippen am Pleinmont Point herumgetrieben?«
Franca hatte die ganze Zeit schon auf diese Frage gewartet. Sie fühlte sich unbehaglich. »Sie... es ging ihr nicht so gut...«, meinte sie ausweichend.
Alan sah sie scharf an. »Weshalb ging es ihr nicht so gut? Sie hat es Ihnen doch bestimmt erzählt.«
Franca zögerte, gab sich dann aber einen Ruck. »Sie hatte am Nachmittag mit Ihnen telefoniert. Sie hatten sich gerade von Maja getrennt und... «
Sie sprach nicht weiter, aber Alan hatte schon begriffen, worum es ging. »Ich war sturzbetrunken«, sagte er, »ich erinnere mich. Das hat sie schrecklich aufgeregt, nicht?«
»Sie war völlig außer sich. Geschockt, verzweifelt, ratlos. Ich habe sie so noch nicht erlebt. Sie sagte, sie könne Helenes Geplapper nicht den ganzen Abend über aushalten, und... na ja, da zog sie dann die Einsamkeit der Klippen
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