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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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dich davon abgehalten, vierundzwanzig Stunden am Tag um dich selbst zu kreisen. Und wenn du tatsächlich ein Archiv oder eine Bibliothek aufsuchen würdest, dann wäre das einfach einmal etwas anderes, als immer nur im Haus zu sitzen und dich in deine Phobien gegenüber anderen Menschen und der gesamten Außenwelt hineinzusteigern. Aber soll ich dir etwas sagen? Du wirst es nicht tun! Du wirst keinen Fuß vor die Tür setzen, geschweige denn, dich bis in irgendeinen öffentlichen Ort hineinbewegen. Du kannst mich ja schon nicht einmal mehr im Labor besuchen. Du kannst manchmal nicht in den Supermarkt gehen. Du überschätzt dich maßlos in dieser Geschichte. Aber vielleicht fühlst du dich wohl dabei, Tagträume zu kreieren, die sich nie erfüllen werden.«
    Er hatte sich in Wut geredet, seine Stimme war sehr laut und heftig geworden. Franca erkannte den Zorn, der in ihm schwelte, den ganzen Ärger, der sich in den vergangenen Jahren in ihm aufgestaut hatte. Natürlich hing ihm die Situation zum Hals heraus. Ein gutaussehender, erfolgreicher Mann, Besitzer eines großen zahntechnischen
Labors, kulturell und gesellschaftlich interessiert - gefesselt an eine Frau, die wegen ihrer Ängste und Zwangsvorstellungen kaum noch das Haus verlassen, niemanden empfangen, ihn nirgendwohin begleiten konnte. Eine Frau, die zunehmend in Farblosigkeit versank, in immer den gleichen formlosen Klamotten herumlief, sich nicht einmal traute, ihre Haarfarbe aufzuhellen oder einen Rock zu tragen, der nicht bis zu ihren Knöcheln hinunterreichte. Er sehnte sich, das wußte sie, nach einer anderen Partnerin. Nach einer Frau, mit der er sein Leben wirklich hätte teilen können.
    »Immerhin«, sagte sie leise, »bin ich wieder einmal allein nach Guernsey geflogen.«
    Michael hob in einer übertriebenen Dankesgeste beide Hände zum Himmel. »Du bist nach Guernsey geflogen! Wieder einmal! Dem lieben Gott sei Dank, daß er seine Flügel schützend über dich gebreitet hat während dieser gefährlichen Exkursion. Was waren das Dramen, bis ich dich im Flugzeug hatte! Tagelang vorher Tränenausbrüche. Ausflüchte. Panik. Und dann das Fiasko, als du feststelltest, ohne Tabletten gereist zu sein. Und kein Zimmer zu haben. Jesus, ich dachte, die Welt geht unter! Dabei warst du nur nach Guernsey geflogen. Um mir einen kleinen Gefallen zu tun. Und dir«, fügte er etwas ruhiger, aber zugleich noch kälter hinzu, »im übrigen auch. Von dem Geld lebst du nicht schlecht.«
    »Ich habe vier Tage ohne Tabletten gelebt. In einem anderen Land. Unter fremden Menschen. Ich habe eine schwere Panikattacke ohne Medikamente überstanden. Zählt das überhaupt nicht für dich?«
    Er trank den letzten Schluck aus seinem Glas, stand dann auf. Er hatte sich unter Kontrolle, würde keine scharfen Angriffe mehr starten an diesem Abend. Doch deswegen würde er noch lange nicht freundlich und versöhnlich sein.
    »Bitte verlange jetzt keine Anerkennung dafür, daß du einmal nicht so auffallend agiert hast wie sonst«, sagte er müde. »Ich kann sie dir nicht geben. Ich will dich nicht belügen, dir nichts vorheucheln, was nicht stimmt. Ich kann dich mit deinen Problemen nicht mehr verstehen. Ich kann deine Erklärungen dazu nicht mehr hören, deine Rechtfertigungen und Ausflüchte und deine winzigen
Erfolgserlebnisse, die nie zu einem großen Erfolg führen, sondern Lichtblitze in einem schwarzen Tunnel bleiben. Ich kann dir nicht geben, was du erwartest. Ich kann dir nicht über die Haare streichen und sagen: ›Gut gemacht, Franca! Welch ein Fortschritt! Ich bin so stolz auf dich!‹ Ich bin nicht stolz auf dich. Auf nichts mehr, was du sagst oder tust. Ich habe Schwäche immer verachtet. Vielleicht ist das kein guter Charakterzug an mir, aber ich bin so, wie ich bin. Weshalb sollte ich so tun, als sei ich ein anderer?« Er drehte sich um und verließ die Küche. Seine Schritte klangen auf den Steinfliesen im Flur, dann knarrte die Treppe, als er nach oben ging.
    Sie starrte auf die weißlackierte Tür, die er hinter sich zugezogen hatte. Er hatte sie nicht krachend ins Schloß fallen lassen, er war jetzt zum Schluß nicht mehr zornig gewesen. Erschöpft eher und resigniert. Vielleicht hätte sie seine Wut leichter ertragen. Die Ruhe, mit der er ihr seine Verachtung erklärt hatte, schmerzte unsagbar. Er hatte nicht im Affekt geredet, hatte ihr nicht Dinge an den Kopf geworfen, die ohne allzu große Bedeutung waren, die er loswerden mußte, um ein Ventil für seine

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