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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Aggression zu haben, von denen er aber später sagen - und denken - würde, er habe sie so nicht gemeint. Was er eben gesagt hatte, hatte er gemeint. Jetzt und noch Tage und Wochen später würden seine Worte stimmig sein.
    Das ist der Tiefpunkt, dachte sie. Ihr war kalt, und sie empfand eine eigentümliche Ruhe. Das ist der Tiefpunkt. Schlimmer wird er mir nicht weh tun können. Schlimmer wird mir niemand mehr weh tun können.
    Sie lauschte in die Stille, beherrscht plötzlich von der unsinnigen Vorstellung, an der Nacht müßte sich etwas verändert haben, nachdem soviel Unsagbares gesagt worden war. Aber es hatte sich nichts verändert. Die Uhr über dem Kühlschrank tickte. Der Kühlschrank selbst brummte leise. Irgendwo in der Ferne, es mußte einige Straßen weiter sein, startete ein Auto. Gleich darauf begann ein Hund zu bellen, verstummte aber sofort wieder. Es war eine ruhige, warme Nacht.
    Vielleicht werde ich gar nicht mehr lange leben, dachte Franca. Es war ein schöner, tröstlicher Gedanke.

5
    15 . September 1999
    Liebe Beatrice,
    ich hoffe, ich falle Ihnen nicht lästig mit meinem Brief. Aber es war so schön für mich, drei Tage lang in Ihrem Haus zu wohnen - in der Stille eines bezaubernden Dorfes, in der Schönheit einer wilden, romantischen Landschaft. Ich wollte mich bei Ihrem Sohn bedanken, daß er mir an jenem für mich so schrecklichen Tag in St. Peter Port geholfen und mich mit zu Ihnen genommen hat. Ich wäre nicht mehr in der Lage gewesen, selbst etwas für mich zu organisieren. Leider kenne ich seine Londoner Adresse nicht. Würden Sie ihm meinen Dank übermitteln? Das wäre sehr nett von Ihnen.
    Es war wunderbar, bei Ihrem Geburtstag dabeisein zu dürfen. Es hat mir gefallen, mit Ihnen in Ihrem großen Garten spazierenzugehen und etwas über Ihre und Helene Feldmanns Vergangenheit zu erfahren. Sie müssen eine Menge erlebt haben, wenn Sie während der ganzen Besatzungszeit auf Guernsey gewesen sind. Ich habe mich inzwischen ein wenig über die Umstände damals informiert – meine Kenntnis der Dinge beschränkte sich auf reines Schulwissen, und das war schon ziemlich verschüttet. Man weiß – wenn man sich überhaupt dafür interessiert – recht gut Bescheid darüber, was im besetzten Frankreich passiert ist, in Holland und Polen und Wo-sonst-auch-immer, aber über die Kanalinseln weiß man fast nichts. Vergessenes Land. Buchstäblich übrigens, nicht? Ich habe gelesen, daß die Alliierten sie bei ihrer Landung in der Normandie hinter sich liegen ließen, und während sie Stück um Stück von Europa befreiten, ruhten die Inseln, besetzt wie sie waren, im Meer, und niemand schien an sie und ihr Schicksal zu denken.
    In einem Buch, einem Tatsachenbericht über die Zeit damals auf Guernsey, wird auch Erich Feldmann erwähnt, Helenes Mann. Er kommt in den Schilderungen nicht besonders gut weg. Es würde mich interessieren zu erfahren, wie er im Alltag war – daheim, privat im Umgang mit Helene und Ihnen.

    Wenn Sie mich und mein Interesse als zudringlich empfinden, dann beantworten Sie diesen Brief einfach nicht.
    Mit herzlichen Grüßen, Ihre Franca Palmer.

6
    22. September 1999
    Liebe Franca,
    ich empfinde Sie überhaupt nicht als zudringlich! Ich finde es nur eigenartig, daß Sie sich für diese Dinge interessieren. Sie sind eine junge Frau, ich schätze Sie auf Anfang bis Mitte Dreißig. Wenn ich mit jüngeren Menschen über die Zeit damals sprechen will, fangen sie an zu gähnen und blicken ganz verzweifelt drein, weil sie hoffen, ich höre möglichst rasch wieder mit den alten Geschichten auf. Bestenfalls heucheln sie höflicherweise ein Interesse, das in Wahrheit gar nicht existiert. Ich bin alt genug, um sehr genau zu merken, wann mir jemand nur etwas vorspielt.
    Mit Deutschen ist das vielleicht etwas anderes; Deutsche müssen aufgrund ihrer Geschichte immer ein offenes Ohr haben für alles, was mit jener Zeit zu tun hat. Das gehört zur Sühne, die euch für Generationen auferlegt ist. Ihr könnt nicht einfach sagen: Ist mir egal, interessiert mich nicht!
    Oder tun das die jungen Leute in Deutschland auch? Ich bin nie dort gewesen, habe auch keinen Kontakt zu deutschen Touristen auf Guernsey. Ich habe also keine Ahnung von derartigen Tendenzen.
    Erich Feldmann wird in einem Buch erwähnt? Gut, daß seine Untaten - hoffentlich! - dokumentiert sind. Ja, ich hatte das Vergnügen, fünf Jahre im Haus eines psychisch kranken Mannes zu leben, der seine kaputte Seele nur allzu oft in

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