Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
hatte.
»Zwölf.«
»Mit zwölf bist du fast schon eine junge Dame«, meinte Erich leutselig. »Vielleicht sollten wir für dich an diesem Tag eine kleine Feier veranstalten — obwohl du es wegen deines Schweigens nicht verdient hast!«
»Wir könnten für uns beide eine Feier veranstalten«, schlug Helene vor, aber damit forderte sie schon wieder Erichs Ärger heraus.
»Kannst du dich nicht einmal zurücknehmen? Ist das wirklich so völlig unmöglich für dich? Bricht dein minimales Selbstwertgefühl zusammen, wenn du einem zwölfjährigen Kind den Vortritt lassen sollst?«
»Nein, ich dachte nur ...«
»Du dachtest gar nichts, Helene, und das genau ist das Problem. Du hattest bloß wieder einmal das Gefühl, du könntest womöglich zu kurz kommen, und schon hast du dich rasch in den Mittelpunkt geschoben. Herrgott, manchmal frage ich mich, wann du endlich erwachsen wirst!«
Helenes Augen füllten sich mit Tränen; mit einer unbeherrschten Bewegung stieß sie ihren Stuhl zurück, wollte zur Tür. Erich bellte mit scharfer Stimme: »Du bleibst hier! Wir besprechen jetzt Beatrices Geburtstagsfeier!«
Beatrice hatte es nie erlebt, daß ihr Vater in solch einem harschen Ton mit ihrer Mutter gesprochen hätte, und sie konnte sich auch nicht vorstellen, daß sich Deborah einem derart harsch vorgebrachten
Kommando gefügt hätte. Aber Helene blieb stehen, als hinge sie an einer Leine, die jemand ruckartig angezogen hatte. Sie sah bleich und angespannt aus.
»Also«, sagte Erich, nun wieder an Beatrice gewandt, »wie hast du dir dein Fest vorgestellt?«
Beatrice hatte sich gar nichts vorgestellt, und so sah sie Erich nur abwartend an.
»Wir sollten Gäste einladen. Wen möchtest du denn gern hier haben?«
Beatrice hatte nicht die geringste Lust, ein Fest zu feiern, aber sie spürte die vibrierende Aggression hinter Erichs väterlicher Freundlichkeit, und es schien ihr ratsam, sein Angebot anzunehmen.
»Ich möchte Will einladen«, erklärte sie.
Erich zog die Augenbrauen hoch. »Will? Große Freundschaft, wie? Na ja, es ist dein Geburtstag. Du mußt es wissen.« Er schien etwas verstimmt. »Wen noch?« fragte er und trommelte gereizt mit den Fingern auf der Tischplatte.
Beatrice beschloß, zum zweitenmal einen Vorstoß zu wagen.
»Mae«, sagte sie.
»Mae?« fragte Erich. »Ist das die Freundin, zu der du dich gleich in der ersten Nacht hast absetzen wollen?«
»Ja.«
»Du weißt aber gar nicht, ob sie noch auf der Insel ist.«
»Nein. Aber vielleicht ist sie noch da, und ich könnte sie endlich wiedersehen. «
»Wir werden es herausfinden. Nun gut, dann kommen Will und diese Mae. Helene, du wirst alles organisieren. Kuchen und Getränke und so weiter. Du erlaubst doch, daß ich dabei bin, nicht? Der gute Will braucht ein wenig Unterstützung, so ganz allein mit zwei jungen Damen.«
Von diesem Moment an fieberte Beatrice der Aussicht entgegen, Mae könnte tatsächlich noch auf der Insel sein, und sie würde die Freundin vielleicht bald wiedersehen. Erich hatte versprochen, sich darum zu kümmern, hatte sich Maes Familiennamen und ihre Adresse geben lassen. Beatrice hatte gehofft, er werde sofort nach dem Frühstück die entsprechenden Schritte unternehmen, aber er
schien sich Zeit lassen zu wollen. Es bereitete ihm offensichtlich ein gewisses Vergnügen, Beatrice zappeln zu lassen.
Während der Deutschstunde überbrachte sie Will die Einladung, sagte ihm aber auch, das ganze Fest sei einzig Erichs Idee. »Ich wollte nicht feiern. Aber ich glaube, er würde wütend werden.«
Will nickte bedächtig. »Er setzt andere Menschen gern unter Druck. Selbst mit seinen Wohltaten.«
»Wie alt ist er eigentlich?«
»Major Feldmann? Ich glaube, so um die vierzig.«
»Helene wird zweiundzwanzig. Sie ist viel jünger als er. Und er behandelt sie ziemlich schlecht.«
Will nickte. »Das ist mir auch schon aufgefallen. Er tut so, als sei sie ein kleines Mädchen. Aber so muß sie ihm vielleicht auch vorkommen — nachdem sie halb so alt ist wie er. «
Nach der Stunde überlegte Beatrice, weshalb Helene Erich überhaupt geheiratet hatte. Sie und Mae hatten sich manchmal kichernd über die Liebe unterhalten, ohne recht zu wissen, wovon sie dabei sprachen. Mae hatte einmal für einen Jungen aus St. Martin geschwärmt und gesagt, es sei Liebe, was sie für ihn empfinde, und sie verstehe nun, was Männer und Frauen dazu bringe, einander zu heiraten. Beatrice hatte Deborah davon erzählt, aber diese hatte gemeint, Mae
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