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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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an sich? Worin bestand ihre Faszination, was machte sie für Michael so attraktiv? Obwohl Franca sich die Antwort denken konnte, stellte sie die Frage und bekam zu hören, was sie bereits geahnt hatte.
    »Himmel, Franca, sie ist in allem das Gegenteil von dir! Sie ist ungeheuer selbstbewußt, sehr stark, sehr sicher. Sie strahlt einen umwerfenden Optimismus aus. Sie ist voller Lebensfreude und Energie. Es ist ein Abenteuer, mit ihr zusammenzusein. Sie steckt voller Überraschungen und spontaner Einfälle.«
    Er sprudelte das alles hervor, und jedes Wort traf Franca wie eine Ohrfeige. Es ging nicht einfach darum, daß er die andere in den Himmel hob. Es ging darum, daß er sie, Franca, vernichtete. Daß er sie degradierte zu einer Frau ohne Profil, ohne Ausstrahlung, ohne irgendeine Eigenschaft, die sie für einen Mann interessant
gemacht hätte. In seinen Augen war sie ein erbärmliches Nichts, und es war so wie immer: Im Handumdrehen hatte er Franca seine eigene Anschauung übergestülpt, ohne daß sie sich dagegen zu wehren vermocht hätte.
    Er sah sie als Nichts, und sie empfand sich als Nichts.
    Sie schluckte trocken und dachte einmal mehr: Dies ist der Tiefpunkt. Der schwärzeste Moment. Schlimmer wird es nicht werden. Aber es wird auch nie wieder besser werden.
    Sie las die Verachtung in seinen Augen. Instinktiv wußte sie, er verachtete ihre Unfähigkeit, sich zu wehren, aufzubegehren. Sie hätte ihm den Rotwein ins Gesicht kippen, einen Aschenbecher nach ihm werfen oder mit den schlimmsten Vergeltungsmaßnahmen drohen müssen. Sie hätte nicht in sich zusammensinken und zu einem grauen Häufchen Elend werden dürfen. Michael haßte Schwäche, und sie war die personifizierte Schwäche für ihn.
    Sie stand auf, weil sie es auf ihrem Stuhl nicht mehr aushielt, und ging zum Fenster, hinter dem rabenschwarze Finsternis alles verschluckte, was es sonst zu sehen gab.
    »Wie soll es denn nun weitergehen?« fragte sie schließlich. Michael hatte sich darüber offenbar keinerlei Gedanken gemacht. »Was heißt, wie soll es weitergehen? Es geht weiter wie immer. Herrgott, Franca, wir leben seit Jahren irgendwie nebeneinander her. Es hat sich eingependelt, oder nicht? Es muß sich nichts daran ändern.«
    »Nur, daß du mir von jetzt an nicht mehr sagst, daß du abends später kommst, weil du soviel zu tun hast. In Zukunft sagst du mir direkt, daß du zu ihr gehst, oder?«
    »Wenn du das geschmackvoll findest... «
    Sie drehte sich zu ihm um. Die Empörung ballte sich wie eine Faust in ihr, und mit einer Schärfe, wie sie seit langer Zeit nicht mehr in ihrer Stimme gelegen hatte, gab sie zurück: »Aber was du tust, das findest du geschmackvoll, ja?«
    Er zuckte ein klein wenig zusammen; offenbar hatte ihr Ton auch ihn überrascht. »Vielleicht ist es nicht geschmackvoll«, sagte er nach ein paar Sekunden, »aber ich habe auch nur das eine Leben. «
    »Und dich auf mich zu beschränken hieße, es zu vergeuden?«

    Er stand jetzt auch auf; sie sah ihm an, daß ihm das Gespräch auf die Nerven ging, daß er es aber führen würde, um den Fall dann abhaken zu können.
    »Wenn du es unbedingt Vergeudung nennen willst... Franca, sieh dich doch an! Du bestehst aus Selbstzweifeln, Unsicherheit und Angst, wann immer du zufällig einmal einen Schritt nach vorn machst! Du schluckst Beruhigungsmittel ohne Ende, und dennoch wird es schlimmer statt besser. Ich kann mit dir zusammen nichts planen, weder einen Urlaub noch einen Restaurantbesuch. Ich kann Geschäftspartner nicht mit nach Hause bringen, weil du in eine Panikattacke verfällst, wenn mehr als ein Mensch hier auftaucht. Ich kann dich nirgendwohin mitnehmen, weil du von sieben Tagen der Woche an sechsen behauptest, das Haus nicht verlassen zu können. Glaubst du ernsthaft, das ist das Leben, wie ich es mir vorgestellt habe?«
    Francas Handflächen begannen zu kribbeln. Überall in ihr lag die Panik auf der Lauer. Was sollte sie entgegnen? Er hatte recht. Mit jedem einzelnen Wort, das er sagte, hatte er recht.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie, und dachte gleichzeitig, daß sie vermutlich die einzige Ehefrau auf der Welt war, die sich entschuldigte, nachdem ihr Mann seine Untreue gestanden hatte. »Ich... ich weiß, daß ich eine Entäuschung bin für dich.«
    Sein Blick umfaßte ihre Gestalt, und jetzt sah er nicht einmal verächtlich, sondern mitleidig drein – was womöglich noch schlimmer war.
    »Du warst einmal anders«, meinte er, »und ich war wirklich verliebt in

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