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Die rote Agenda

Die rote Agenda

Titel: Die rote Agenda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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sich bestimmt
irgendwo in Sizilien.«
    »Und Sie
verfolgen ihn?«
    »Nein«,
sagte Trapani pikiert. »Ich hole meine Frau ab, die zu einem Kurzurlaub in
Taormina ist«, log er.
    »Es sieht
so aus, als würde es alle Welt gerade in diese Gegend ziehen«, schaltete sich
Stuart in das Gespräch ein. »Das ist sicher wegen der Einweihung der Brücke
über die Straße von Messina.«
    »Hallo, Mr.
Stuart«, begrüßte ihn Trapani. »So wie die Dinge stehen, würde ich Ihnen raten,
nach Sizilien zu kommen. Ich könnte Ihnen helfen, den Flüchtigen zu fassen.«
    »Exakt das
tun wir gerade«, sagte Ogden. »Wir landen in einer halben Stunde in Catania,
genau wie Sie. Ich bitte Sie, [324]  sofort zu uns ins Hotel Excelsior zu kommen.
Und mit sofort meine ich, ohne Kontakt mit irgendjemandem aufzunehmen.«
    »In
Ordnung«, antwortete Trapani mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich werde meiner
Frau Bescheid geben, dass ich erst morgen zu ihr nach Taormina komme.«
    »Soweit wir
wissen, glaubt Betta Malacrida, dass Sie nach Palermo unterwegs sind und dort
den Präsidenten der Region treffen wollen«, sagte Ogden, um zu zeigen, wie
streng Trapani kontrolliert wurde. »Wenn ich Sie wäre, würde ich meiner Frau
raten, den ersten Flug nach Turin zu nehmen. Und zwar möglichst überzeugend«,
fügte er hinzu.
    Trapani
antwortete nicht gleich. Er begriff, dass das eine Warnung war.
    »Gibt es da
etwas, das ich wissen sollte?«
    »Ich frage
mich eher, ob nicht der Senator etwas über Sie weiß, das er nicht wissen
sollte.«
    Zum ersten
Mal, seit diese Geschichte begonnen hatte, hatte Trapani Angst. Vor kurzem
hatte er aufgehört zu rauchen, doch bevor er antwortete, wandte er sich mit
einer schnellen Geste an den Mann, der auf der anderen Seite des Gangs saß.
Dieser beeilte sich, ihm ein Päckchen Zigaretten hinzuhalten.
    »Haben Sie
einen konkreten Grund, das zu glauben?«, fragte Trapani und atmete den Rauch
ein.
    »Noch
nicht, doch es ist eine Möglichkeit, die man ernsthaft in Betracht ziehen muss.
Wie auch immer, wir reden in Catania darüber. Bis später.«

[325]  49
    Der
erste Artikel über die Agenda des Richters erschien, groß aufgemacht auf der
ersten Seite, am Tag nach dem Attentat auf den Chefredakteur. Alimante hatte
angeordnet, dass man in dieser ersten Folge wenig bringen solle, gerade genug,
um jene in Panik zu versetzen, die seinerzeit in die Attentate verwickelt
waren. Dass die Staatsanwaltschaft, offensichtlich schon über den Inhalt der
Agenda informiert, der Zeitung die Publikation erlaubte, war ein Hinweis für
die Betroffenen, dass sich die Schlinge langsam zuzog.
    Die Kopie,
die der Chefredakteur von den Agenten erhalten hatte, war zwar in der Nacht des
Attentats gestohlen worden, doch das war kein Problem: Aus dem safe house hatte man sofort via Mail eine neue geschickt.
    Im Artikel
wurde behauptet, dass der erste Richter nicht nur wegen seiner Ermittlungen
eliminiert worden sei, sondern auch um zu verhindern, dass er
Antimafia-Staatsanwalt würde. Der zweite, sein Freund und zugleich sein
Mitstreiter, hatte sich, als er die Ermittlungen des Antimafia-Pools weiterführte,
den inneren Zirkeln der mit der Mafia in geheimem Einverständnis stehenden
politischen und unternehmerischen Macht gefährlich genähert. Doch vor allem
wurde er ausgeschaltet, weil er wusste, wer den Befehl gegeben hatte, seinen
Freund zu töten.
    [326]  Die Agenda
enthielt, so der Artikel, die unwiderlegbaren Beweise dafür, dass man die
beiden Attentate von den Corleonesen »als Gefallen erbeten« hatte, nachdem die
alten Allianzen mit Politik und Wirtschaft infolge der Mani
Pulite genannten Mailänder Ermittlungen zerbrochen waren. Um nicht
gleich zum inhaltlichen Kern der Agenda zu kommen, zitierte der Journalist jene
explosiven Erklärungen, die seinerzeit von einem mächtigen Mann der
sizilianischen Christdemokraten, der später von den Skandalen mitgerissen wurde,
abgegeben worden waren. Der Politiker, der ahnte, was da unversehens alles über
ihn hereinbrechen würde, hatte das Interview einem renommierten Intellektuellen
für ein bekanntes linksorientiertes Wochenmagazin gegeben.
    Beim Maxi-Prozess von 1986 wurde eine geheime
Absprache zwischen der Mafia und einigen politischen Instanzen getroffen. Die
Cosa Nostra sagte: »Ihr sperrt die Verlierermafia und ein paar Randfiguren der
Gewinnermafia ein, doch zum Schluss hebt das Kassationsgericht alles auf, und
unsere Freunde kommen frei. In der Zwischenzeit verhalten wir uns ruhig

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