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Die rote Agenda

Die rote Agenda

Titel: Die rote Agenda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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sichere Art zu
kommunizieren.
    Es war
tatsächlich der Senator. Der Präsident setzte die Kopfhörer auf und gab dem
Sekretär ein Zeichen, dass er sich entfernen solle. »Wo bist du?«, überfiel er
ihn gleich, »ich habe dich überall gesucht. Ich gehe davon aus, dass dich
keiner entführt hat, sonst könntest du mich ja nicht anrufen.«
    »So ist es.
Ich wollte wissen, wie du davonzukommen gedenkst.«
    »Was meinst
du?«
    »Hör auf
mit dem Theater! Was willst du tun, um dich in Sicherheit zu bringen?«
    »Es wird
sich alles regeln, du wirst schon sehen. In wenigen Stunden werde ich die
Agenda und auch eventuelle Kopien in Händen halten.«
    Der Senator
schüttelte den Kopf. Der Freund drehte eindeutig langsam durch.
    »Glaubst du
wirklich, dass diese Leute die Agenda [330]  einfach so herumliegen lassen? Auch
wenn es dir gelingen sollte, sie wiederzubeschaffen – und ich will gar nicht
wissen, wie –, werden noch immer Kopien in Umlauf sein, mit denen sie uns
festnageln können.«
    Der
Präsident fühlte sich verwirrt, in seinem Kopf wirbelte alles durcheinander, er
hatte das Gefühl, Achterbahn zu fahren. Dann begriff er, dass es nur eine
Turbulenz gewesen war.
    »Ich bin
der Präsident der Republik«, tönte er. »Sie können mich nicht liquidieren wie
einen gewöhnlichen Verbrecher!«
    Der Senator
seufzte und sah durchs Fenster auf das vom Wind gekräuselte Meer. Es war ein
strahlender, nicht zu heißer Tag, den man eigentlich hätte genießen können. Er
bereute es, den Freund angerufen zu haben, und ihn beschlich so etwas wie
Traurigkeit. Doch dieses Gefühl galt nicht dem Mann, mit dem er sprach und der
offensichtlich inzwischen total größenwahnsinnig war, sondern eher der
Erinnerung an die Männer, die sie einst gewesen waren. Zur Melancholie gesellte
sich eine tiefe Wehmut, wenn er an die glorreichen Jahre dachte, in denen das
Land vollkommen in ihren Händen gewesen war. Und nun war alles im Niedergang
begriffen, die geistige Gesundheit des Präsidenten nicht ausgenommen.
    »Hast du
irgendein Medikament genommen, irgendeine Droge?«, fragte er ihn.
    »Red kein
dummes Zeug und hör mir zu«, antwortete der Präsident einigermaßen überdreht.
»Auch wenn Kopien in Umlauf bleiben sollten – aber das ist ziemlich unwahrscheinlich –, könnte es sein, dass sie vor Gericht nicht als Beweis akzeptiert werden,
eben weil es Kopien sind!«, rief [331]  er übermütig aus. »Dies natürlich nur für
den Fall, dass eine übrigbleiben sollte.«
    »Wer hat
dir denn einen solchen Unsinn eingeredet?«, unterbrach ihn der Senator. »Die
Richter werden jede Kopie als Beweis anerkennen, und du kannst sicher sein,
dass inzwischen unzählige davon in Umlauf sind.«
    Der
Präsident antwortete nicht gleich. Dann beschloss er, dass er dem Freund nichts
über den General erzählen konnte. Er räusperte sich, und seine Stimme klang
noch entschiedener. »Das spielt keine Rolle. Jedenfalls werden wir es schaffen,
es diesen verdammten Söldnern zu zeigen, darauf kannst du wetten! Aber du tust
gut daran zu fliehen, du hast mein ganzes Verständnis und meine Solidarität«,
schloss er großzügig.
    Der Senator
schüttelte den Kopf. Er fühlte sich verpflichtet, nicht lockerzulassen, auch
wenn er sich bewusst war, dass seine Worte ins Leere fielen.
    »Um Himmels
willen, hör mir zu! Du musst sofort das Land verlassen!«, wiederholte er. »Du
hast Freunde in der halben Welt, sie werden dich aufnehmen. Dann hast du genug
Zeit, um dich zu verteidigen, aber als freier Mann. Wenn du hierbleibst, werden
sie dich fertigmachen.«
    »Da irrst
du dich«, rief der Präsident, der immer überschwenglicher wurde, aus. »Ich habe
noch viele wichtige Männer auf meiner Seite. Das hier ist ein Krieg, und ich
kann ihn gewinnen!«
    Der Senator
seufzte und schaute hinaus auf das tiefblaue Meer. Ein Junge am Strand warf
irgendetwas ins Wasser, und sein Hund tauchte in die Wellen, um es
zurückzuholen. Als er wieder an Land kam, hielt er etwas zwischen den [332]  Zähnen,
wahrscheinlich einen Stock, den er vor den Füßen des Jungen fallen ließ. Die
Szene rührte den Senator, er hatte immer gedacht, dass Tiere bessere Wesen
seien als Menschen. Jemand hatte mal geschrieben, dass Gott bei der Schöpfung
einen Fehler begangen und dem Hund das Herz des Menschen, dem Menschen das Herz
des Hundes gegeben hatte – gewiss ein russischer Autor, doch im Augenblick fiel
ihm der Name nicht ein.
    Er
beschloss, einen letzten Versuch zu unternehmen, im

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