Die rote Agenda
Dienstes zu widersprechen, doch er
hatte keineswegs die Absicht, ihren Befehlen blind zu gehorchen. Er würde auf
jeden Fall seine Rachepläne umsetzen, er musste sie nur ein wenig anpassen und
sich geschickt verhalten.
[345] Die
Operation hatte sich nach Sizilien verlagert, für jeden ein schwieriges Territorium,
selbst für die mächtigste Armee der Welt, das hatte die Geschichte bewiesen.
Wenn sie auf der Insel etwas erreichen wollten, mussten sie sich mit der Mafia
einigen, und die Mafia war er.
»Wir
verstehen gut, dass Sie sich rächen wollen, aber Sie werden später dazu
Gelegenheit haben, wenn diese Angelegenheit abgeschlossen ist«, hatte Stuart
gesagt. »Beschränken Sie sich darauf, den Senator aufzuspüren, wir wollen, dass
er in einem regulären Prozess aussagt und abgeurteilt wird. Aber vergessen Sie
nicht, wir werden keine Einmischungen dulden, die unsere Pläne behindern
könnten.«
»Ein
Prozess ist viel zu wenig für diesen Scheißkerl und seine Komplizen, sie
verdienen etwas ganz anderes«, hatte Trapani mit zusammengebissenen Zähnen
erwidert.
Ogden hatte
ihn angeschaut und die Lippen zu einem kalten Lächeln verzogen, das beredter
als eine Drohung war. Der Pate hatte sich bei dem Gedanken überrascht, dass
auch er früher, als er sich noch nicht hinter einer falschen Identität
versteckte, bei seinen Männern die gleiche Unruhe ausgelöst hatte.
»Diese
moralische Aufwallung bei Ihnen überrascht mich«, hatte Ogden gesagt und ihn
damit zur Weißglut gebracht. »Beruhigen Sie sich, padrino, später können Sie dann Ein Mann sieht rot in der
sizilianischen Version spielen, nicht jetzt, wir brauchen den Senator lebendig.
Außerdem, warum diese Eile? Es gibt kein Hochsicherheitsgefängnis, das die
Vendetta der Mafia aufhalten kann. Wenn alles zu Ende ist, werden Sie sich nach
Belieben amüsieren können. Aber erst dann, haben wir uns verstanden?«
[346] Während
das Auto die beleuchtete Strandpromenade Catanias entlangfuhr, dachte Trapani,
dass er viel Phantasie entwickeln müsste, wenn es nach seinem Kopf gehen
sollte, ohne dass es für ihn böse endete. Deshalb hatte er sich bei der Unterredung
ausgesprochen kooperativ gezeigt und dem Dienst nicht nur sich selbst zur
Verfügung gestellt, sondern auch sein riesiges Netz von Informanten und vieles,
vieles mehr.
Für den
Senator gab es wenig Hoffnung davonzukommen, es sei denn, er hatte schon die
Flucht ergriffen. Aber das bezweifelte er, denn seine an den Flughäfen und den
neuralgischen Punkten des Schiffsverkehrs postierten Männer hatten ihm
mitgeteilt, dass er bisher nicht gesichtet worden war. Ganz offensichtlich
schützte ihn irgendjemand. Die Nachricht von der Anwesenheit Trapanis auf der
Insel, die er selbst in Umlauf gesetzt hatte, trug bereits Früchte. Bald würde
der Senator von einer Familie verraten werden, die danach strebte, beim
obersten Boss, dem capo dei capi, in der Wertschätzung
zu steigen, und was gab es da Besseres, als ihm das, was er suchte, auf dem
Silbertablett zu servieren?
Doch es gab
noch viel zu tun, und die Zeit wurde knapp. »Fahren Sie schnell!«, sagte er zum
Fahrer und zündete sich eine Zigarette an. In diesem Augenblick läutete das auf
den Namen Lorenzo Malacrida laufende Handy. Als er sich meldete, hörte er die
Stimme seiner Frau.
»Betta,
Schatz, wie geht es dir?«, rief er aus, verwundert darüber, dass sie ihn um
diese Zeit anrief.
Es war ein
sehr kurzes Gespräch, doch in wenigen Augenblicken veränderte sich Trapanis
Aussehen, als liefe eine [347] Metamorphose ab, die Lorenzos schönes Gesicht in
die grausame Maske eines Mörders verwandelte.
»Ich bin in
einer halben Stunde bei dir«, sagte er, als sie ihm alles erzählt hatte, und
vergaß, dass seine Frau glaubte, er wäre in Palermo.
Er beendete
das Gespräch und wandte sich an den Fahrer. »Los, zu den Carabinieri in
Taormina. Beeilung, wir müssen so schnell wie möglich da sein.«
Der Fahrer
warf einen Blick in den Rückspiegel, er hätte gern um Erklärungen gebeten, doch
als er Trapanis Gesichtsausdruck sah, schaltete er nur das GPS ein und wendete den Wagen.
[348] 52
Paolo
Astoni schaltete den Fernseher aus und zündete sich eine Zigarette an. Er hatte
wieder angefangen zu rauchen und war nicht stolz darauf. Die Anspannung der
letzten Tage zusammen mit der Langeweile hatten ihn schwach werden lassen.
Er befand
sich in seinem Zimmer in einer sehr eleganten Villa in der Olgiata, einem
Wohnviertel im Norden von Rom. Vom
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