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Die rote Agenda

Die rote Agenda

Titel: Die rote Agenda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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der Wohnung gegenüber, wo ein ehemaliger
Kollege aus der Universität wohnte. Vor Jahren hatte Astoni ihm die Wohnung
vermittelt, nachdem die alte Mieterin ausgezogen war. Professor Armando Cozzi
war alleinstehend, um einiges jünger als er und lehrte Experimentelle Physik an
der Universität. Im Augenblick hatte er ein Freisemester und hielt sich in den USA auf. Er hatte Astoni die Schlüssel seiner Wohnung
gegeben und ihn gebeten, darauf zu achten, dass seine Haushaltshilfe regelmäßig
die Pflanzen goss. Sie waren befreundet, und Astoni hatte ihm diesen kleinen
Gefallen gern getan.
    Der Aufzug
kam mit einem leisen Zischen auf dem Stockwerk an, doch Astoni stieg nicht ein,
sondern ging zurück in seine Wohnung. Im Vorraum zog er die Schublade der
Konsole auf, nahm Cozzis Schlüssel heraus und verließ die Wohnung wieder, nicht
ohne erneut die Alarmanlage [52]  eingeschaltet zu haben. Er ging über den
Treppenabsatz, schloss die Tür auf und betrat die Wohnung des Freundes.
    Dort machte
er Licht und begann die Zimmer nach einem passenden Versteck für die Agenda und
die DVD abzusuchen. Die Bibliothek war vielleicht
der ideale Ort, sagte er sich. Er nahm den ersten Band des Vocabolario
della Lingua Italiana von Treccani und steckte die DVD hinein. Die Agenda stellte er neben ähnliche Bände
in ein anderes Fach des Bücherregals. Zum Glück hatte Cozzi die Angewohnheit,
die Agenden vergangener Jahre aufzubewahren. Zufrieden verließ er die Wohnung,
schloss die Tür wieder ab und stieg schließlich in den Aufzug.
    Auf der
Straße ging er schnell, schaute sich von Zeit zu Zeit um, doch niemand schien
ihm zu folgen. Er lächelte über diese Vorsichtsmaßnahme, denn er hätte es wohl
kaum bemerkt, wenn ihn jemand beschattete. Als er auf der Piazza Castello
angekommen war, hielt er ein Taxi an und ließ sich zum Hotel Principi di
Piemonte bringen.

[53]  8
    Er
betrat das Hotel kurz nach fünf. Astoni hatte dieses Hotel aus gutem Grund
ausgesucht: Erstens wusste er, dass Verena dort wohnte, und zweitens kannte er
den Direktor. Dank ihm bekam er trotz einiger Veranstaltungen, die in jener
Woche in Turin stattfanden, eine der junior suites, die das Hotel für Notfälle frei hielt. Als er sich in seinem Zimmer
eingerichtet hatte, legte er sich aufs Bett, um sich zu entspannen. Er sagte
sich, dass er zu einer Entscheidung kommen müsse, was zu tun sei, doch die
Müdigkeit und die Anspannung der letzten Stunden gewannen die Oberhand, und er
schlief ein. Als er die Augen wieder öffnete, fürchtete er sich für die
Verabredung mit Verena verspätet zu haben. Er sah auf die Uhr, es war halb
acht. Er griff zum Telefonhörer und ließ sich das Zimmer seiner Patentochter
geben.
    Verena war
eine Stunde zuvor von ihrem Kongress zurückgekommen und hatte sich einen Imbiss
aufs Zimmer bringen lassen, weil sie wusste, dass sie erst nach der
Eiskunstlaufgala zu Abend essen würde. Als das Telefon klingelte, meldete sie
sich, weil sie dachte, es sei Ogden.
    »Hallo
Verena, ich bin’s, Paolo. Du kannst dir nicht vorstellen, was heute Nachmittag
passiert ist«, sagte der Professor und versuchte einen Ton zu treffen, der der
Sache [54]  angemessen war. »Als ich nach Hause kam, erwartete mich eine böse
Überraschung.«
    Astoni
hatte sich eine Lügengeschichte ausgedacht: Aus einem Heizkörper sei eine
beträchtliche Menge Wasser ausgetreten und habe das Schlafzimmer überschwemmt.
Der Verwalter des Gebäudes sei sofort gekommen und habe ihm nach Feststellung
des Schadens geraten, wenigstens für ein paar Tage in ein Hotel zu ziehen und
abzuwarten, bis alles wieder in Ordnung wäre.
    »Und da
habe ich mir gedacht, ich steige gleich in deinem Hotel ab«, schloss Astoni.
    »Das tut
mir sehr leid, Paolo. Ist der Schaden groß?«
    »Zum Glück
hat das ausgetretene Wasser nur das Schlafzimmer überschwemmt. Wenn es bis ins
Arbeitszimmer geflossen wäre, wäre das eine Katastrophe gewesen. Der Verwalter
hat gleich zwei Leute geschickt, die sich das angesehen haben und morgen mit
den Arbeiten beginnen. Alt zu sein hat manchmal Vorteile: Sie waren
ausgesprochen freundlich, und die Verwaltung kümmert sich um alles. Sie haben
mich nur gebeten, für ein paar Tage das Feld zu räumen. Meine Haushälterin wird
hingehen und bei den Arbeiten anwesend sein.«
    »Nun, wenn
alles nicht so schlimm ist, freue ich mich, dich hier zu haben. So können wir
mehr Zeit miteinander verbringen«, sagte Verena.
    »Danke,
Verena. Du bist ein Schatz. Wir sehen uns

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