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Die rote Agenda

Die rote Agenda

Titel: Die rote Agenda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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große
Terrasse mit Tischchen und Sonnenschirmen zu sein, umgeben von einem Park; es
konnte sich um den Außenbereich eines Hotels oder um ein Restaurant im Freien
handeln.
    Das Bild
wackelte ein wenig, weil der Kameramann im Gehen filmte und sich jener
Einstellung bediente, die man im Filmjargon eine Subjektive nennt. Nach einer
Unterbrechung war erneut der Park zu sehen; es folgte eine schnelle
Kamerafahrt, dieses Mal von unten, die Kamera nahm die [49]  Terrasse auf,
richtete sich dann auf die Stadt in der Ferne, schwenkte wieder hektisch auf
die Terrasse, um schließlich auf eine Straße mit Häusern aus den fünfziger
Jahren und vielen am Straßenrand geparkten Autos zu zoomen. Mit einem Ruck
kehrte die Kamera auf die Terrasse zurück, zeigte einen Mann, der an einem
Tisch saß. Auch auf ihn zoomte die Kamera mehrmals, dann folgte ein Schwenk auf
das Gebäude dahinter, ein kleines steinernes Schlösschen in einem
uneinheitlichen Baustil.
    Astoni war
wie versteinert, als er unten rechts im Bild das Datum und die Uhrzeit der
Entstehung des Films bemerkte. Er begriff, worum es sich handelte, und das Herz
klopfte ihm bis zum Hals: Das war Palermo im Jahr, am Tag und zur Stunde des
Attentats.
    Die Kamera
zoomte noch einmal auf den Mann auf der Terrasse, in dem Astoni einen gewissen
Senator zu erkennen meinte. Er war von seinem Tischchen aufgestanden, hatte
sich an die Brüstung gelehnt und schien auf die Stadt unter sich zu blicken.
Die Kamera ging erneut auf die Straße, dann zurück auf den Mann, ein hektisches
Hin und Her, das nur eines bedeuten konnte: Der Mann auf der Terrasse wusste,
was gleich geschehen würde, und der andere, der die Aufnahmen machte, wollte
dies hervorheben. Der Mann nahm etwas aus der Tasche, ein kleines Fernglas, das
er auf die Stadt richtete, die von diesem Standort aus sowieso gut zu sehen
war. Die Kamera wurde in die gleiche Richtung gehalten und zoomte auf die
Straße. Das Bild war scharf, sehr nahe herangeholt. Man sah drei Wagen mit
hoher Geschwindigkeit in die Straße einbiegen, dann vor einem Eingang anhalten.
Aus dem ersten Auto sprangen bewaffnete Männer, [50]  und gleich darauf stiegen
aus dem zweiten ein weiterer Mann und der Richter aus.
    Astoni
spürte, wie sich sein Magen zusammenzog, er konnte das Gesicht des Richters
sehen, das Jackett über die Schulter geworfen, die Sonnenbrille. Astoni machte
eine Geste Richtung Bildschirm, als wollte er aufhalten, was schon geschehen
war. Die Kamera ging wieder hektisch hin und her, zeigte den Mann auf der
Terrasse, der nun irgendetwas in der linken Hand hatte, vielleicht ein Handy,
während er sich mit der Rechten immer noch das Fernglas vor die Augen hielt.
Ein Ruck, und die Kamera war wieder auf die Straße gerichtet, dann erneut auf
den Mann, dann wieder auf die Straße, wo sie endlich zum Stillstand kam.
    Astoni, dem
der Schweiß auf der Stirn stand, sah, wie der Richter den Eingang erreichte und
die Hand zur Klingel ausstreckte. In diesem Moment ereignete sich die
Explosion, stumm – und daher noch schrecklicher. Die Autos flogen in die Luft,
manche in tausend Stücke, andere ganz, dann wurde alles in eine dichte Wolke
aus schwarzem Rauch gehüllt, und mit dem Blick auf dieses Inferno blieb das
Bild stehen.
    Der
Professor starrte noch lange auf den Bildschirm. Schließlich beendete er das
Programm, entnahm die DVD , legte sie zurück in
die Plastikhülle und machte den Computer aus.
    Mit
langsamen Bewegungen stand er vom Schreibtisch auf, ging ins Schlafzimmer, nahm
eine Tasche aus dem Schrank und legte ein paar Kleider hinein, ging ins Bad,
packte seinen Kulturbeutel, kehrte ins Schlafzimmer zurück und verstaute ihn in
der Tasche. Mit einem raschen Blick sah er sich [51]  um, zog seinen Mantel an,
steckte die Agenda und die DVD innen unter den
Arm und nahm mit der anderen Hand die Tasche. Er ließ ein paar Lichter an und
schaltete die Alarmanlage ein. Dann verließ er seine Wohnung.
    Während er
auf den Aufzug wartete, kamen ihm Zweifel. Die Agenda bei sich zu tragen war
vielleicht keine gute Idee. Wenn sie ihm gestohlen würde, wäre Richards Tod
umsonst gewesen. Aber er konnte sie nicht in der Wohnung lassen, vor diesen
Leuten war kein Versteck sicher. Sie würden die Wohnung auseinandernehmen und
sie würden die Agenda finden.
    Er schaute
sich um. Das Treppenhaus sah aus wie in vielen alten Wohnhäusern der Stadt,
elegant, mit Stufen aus Marmor und einem Geländer aus Schmiedeeisen und
Messing. Er blickte auf die Tür

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