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Die rote Agenda

Die rote Agenda

Titel: Die rote Agenda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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Männer beraubt hatten. Von diesen Verbrechen hatte Italien
sich nie erholt.
    Er spürte,
wie die Wut in ihm aufstieg, die gleiche Wut, die er damals empfunden hatte und
die sich jedes Mal wieder von neuem einstellte, wenn er daran dachte, wie sehr
sich sein Land zum Schlechten hin verändert hatte. In den Jahren, die auf die
Massaker folgten, war sein Ekel gegenüber [46]  einer kriminellen Realität, die
beinahe alles durchdrang, immer stärker geworden – gegenüber der sogenannten
Zweiten Republik, »deren Pfeiler im Blut standen«, wie ein Richter aus dem
Antimafia-Pool einmal geschrieben hatte. Inzwischen glaubten viele, dass ein
Schattenstaat mit einer enormen politischen und finanziellen Macht existierte,
der mit der Mafia zusammenarbeitete.
    Durch eine
seltsame Fügung des Schicksals war die Agenda, von der sich der Richter niemals
trennte, die berühmte »rote Agenda«, die alle seit Jahren suchten, in seine
Hände gekommen, dabei war er nur ein alter, ängstlicher Professor. Eins war
jedenfalls klar: Von diesem Augenblick an würde er niemandem mehr vertrauen
können, weder in Italien noch sonst wo.
    Tiefe
Niedergeschlagenheit erfasste ihn. In den vergangenen Jahren hatte er alles,
woran er immer geglaubt hatte, vor seinen Augen zerbröckeln sehen: Moral,
Anstand, bürgerliches Engagement, Respekt vor dem Einzelnen und dem Gemeinwesen.
Werte waren auf abgestandene Propaganda reduziert worden, auf Worte, die die
Politiker in jedem Wahlkampf in alle vier Himmelsrichtungen ausposaunten, doch
an die sie selbst nicht glaubten.
    Nicht zum
ersten Mal dankte er dem Himmel, dass er keine Kinder hatte. Doch Richard, der
sein Sohn hätte sein können, war wegen dieser Agenda gestorben, daher hatte er
nicht das Recht, sich zurückzuziehen, er musste etwas unternehmen, koste es,
was es wolle.
    Das
Klingeln des Telefons ließ ihn zusammenfahren. Er sah den Apparat an, unsicher,
ob er sich melden sollte, dann entschloss er sich, es zu tun.
    [47]  »Professor
Astoni?«, fragte eine männliche Stimme auf Englisch.
    »Ja?«
    »Guten
Abend. Sie kennen mich nicht, ich bin Peter Ward, ein Freund von Richard. Ich
bin es, der die Sendung per DHL an Sie geschickt
hat. Haben Sie den Umschlag erhalten?«
    Astoni
hatte Angst, ja zu sagen, dann erinnerte er sich an Richards Begleitschreiben.
Doch da er niemandem vertraute, beschloss er zu lügen.
    »Ich habe
nichts bekommen.«
    »Kein Problem.
Sie werden die Sendung bald erhalten. Doch hören Sie mir bitte zu, ich muss Sie
warnen. Ich weiß nicht, was sich in diesem Umschlag befindet, doch ich bin
davon überzeugt, dass Richard wegen seines Inhalts getötet wurde.«
    Peter
erzählte Astoni, was ihm zugestoßen war, und betonte, die beiden Männer hätten
ihn erst in Frieden gelassen, nachdem ihnen die Quittung von DHL in die Hände gefallen sei.
    »Herr
Professor, Sie müssen sehr vorsichtig sein, denn diese Leute wissen, dass Sie
der Empfänger der Sendung sind, die ich für Richard verschickt habe. Haben Sie
verstanden?«, fragte Peter besorgt.
    Astoni
seufzte. »Natürlich.«
    »Hören Sie,
die beiden haben mich bedroht, sie haben gesagt, dass sie mich töten, wenn ich
zur Polizei gehe, und nach dem, was geschehen ist, habe ich keinen Grund, daran
zu zweifeln. Doch ich wollte Sie warnen. Sehen Sie zu, dass Sie diese Sache so
schnell wie möglich loswerden, gehen Sie [48]  zur italienischen Polizei und
übergeben Sie den Umschlag. Sagen Sie, dass er Ihnen von Richard geschickt
worden ist, dort wird man dann das Notwendige in die Wege leiten. Ich kann
sonst nichts tun, ohne mein Leben aufs Spiel zu setzen. Mit diesen Leuten ist
nicht zu spaßen! Sie haben Ihre Adresse, sie werden zu Ihnen kommen.«
    »Das ist zu
erwarten. Ich danke Ihnen. Es war sehr freundlich von Ihnen, mich zu warnen.«
    »Ich weiß,
dass Richard Ihr Freund war und Sie schätzte. Und Richards Freunde sind auch
meine Freunde«, sagte Peter traurig.
    Nachdem er
aufgelegt hatte, ging Paolo Astoni an den Computer und legte die DVD ein. Er hatte einen Mac mit einem großen Bildschirm
und einer guten Wiedergabequalität. Er klickte auf den Befehl, und nach einem
leisen Summen begann sich die Disc zu drehen.
    Auf dem
Bildschirm erschien das Panorama einer von oben aufgenommenen Stadt, man
erkannte die Häuser, die Straßen, die Monumente und im Gegenlicht das
glitzernde Meer in der Sonne. Die Kamera machte einen raschen Schwenk im Kreis
und nahm den Ort auf, wo sich der Kameramann befand. Es schien eine

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