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Die rote Agenda

Die rote Agenda

Titel: Die rote Agenda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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Schauspielers zu gedenken. Er hatte ihn immer
für seine Kälte und für seine Unerschütterlichkeit bewundert. Dies war es, was
ihn mit diesem Mann verbunden hielt, vielleicht mehr als die Dankbarkeit, die
er ihm schuldete.
    »Wir müssen
sehr vorsichtig sein.«
    »Natürlich«,
gab der Senator zu. Dann fixierte er ihn, mit halbgeschlossenen Augen und einem
sanften Lächeln auf den schmalen Lippen.
    Dieser
Getreue war der Einzige, der bereit war, ihm bis in den Tod zu folgen. Aber
wenn er das Maximum aus ihm herausholen wollte, musste er bei der Beziehung
ansetzen, die sie seit zwanzig Jahren verband. Um Graham Greene zu zitieren:
Der menschliche Faktor würde den Unterschied machen.
    »Bist du
sicher, dass du das sinkende Schiff nicht verlassen willst, mein Freund?«,
fragte er ihn daher schmeichlerisch. »Ich wäre dir deshalb nicht böse, glaub
mir. Du bist noch jung, du kannst dir ein neues Leben fern von Italien
aufbauen, an Geld fehlt es dir nicht. Lass mich allein damit fertig werden.«
    So
großmütig das klang, so ging es doch eigentlich um die Frage nach der Loyalität
des Sizilianers. Dass die [274]  Corleonesen ihn damals nicht in einen
Zementpfeiler gesteckt hatten, war immerhin seiner Fürsprache zu verdanken
gewesen.
    Der
Sizilianer erwiderte den Blick, schüttelte heftig den Kopf und enttäuschte ihn nicht.
»Sie haben mir das Leben gerettet, das habe ich nicht vergessen. Nur Ratten
verlassen das sinkende Schiff. Und außerdem ist es nicht gesagt, dass unser
Schiff sinken wird, wir haben noch ein paar Karten, die wir ausspielen können.
Aber Sie müssen offen mit mir sein und mir sagen, warum Sie so sehr an Betta
Malacrida interessiert sind…«
    Der Senator
lachte. »Du bist auf Draht, das habe ich schon damals gewusst, als ich dir aus
der Patsche geholfen habe. Über Malacrida werden wir reden, aber nicht jetzt.
Heute Abend reise ich nach Rom ab, du folgst mir dann mit deinen Leuten. Von
dort nehmen wir, wenn ich alles geregelt habe, den ersten Flug nach Südamerika.
Besorg dir falsche Papiere.«
    Der
Sizilianer nickte. »Gut. Ich habe nichts, was mich in Italien zurückhält, und
Südamerika ist wunderbar, um neu anzufangen.«
    »Dann
nichts wie weg. Wir bleiben über das abhörsichere Handy in Verbindung. Jetzt
fahre ich zurück und sage an der Rezeption, dass ich mein Zimmer morgen am
späten Vormittag aufgeben werde; ich zahle dann gleich die Rechnung und
reserviere für heute Abend einen Tisch im Restaurant. Mein Gepäck und meine
persönlichen Dinge lasse ich im Zimmer, damit man glaubt, dass ich noch in
Turin bin, und mache mich dann in aller Stille davon. Aufpassen muss ich nur
beim Verlassen des Hotels, wenn mich, wie wir [275]  vermuten, jemand beschattet.
Du und deine Männer, ihr fahrt mit dem Auto nach Rom. Sofort.«
    »In
Ordnung. Aber wie kommen Sie nach Rom?«
    Der Senator
lächelte. »Mach dir darüber keine Sorgen. Sobald du angekommen bist, rufst du
mich an.«
    »Aber jetzt
werde ich Ihnen aus der Ferne Begleitschutz geben, bis zum Hotel. Das ist
vorsichtiger.«
    »Gut. Ich
gehe zuerst. Hals- und Beinbruch.«
    »Wird schon
schiefgehen«, antwortete der Sizilianer.

[276]  38
    Mit
Balkenüberschriften auf der ersten Seite brachte die wichtigste Tageszeitung
des Landes die Nachricht von der Maxi-Antimafia-Operation, die zur Festnahme
einer großen Zahl von Mafiosi geführt hatte. In den Artikeln war zu lesen, dass
einige Tage vor der Razzia in der Nähe von Palermo ein Spitzentreffen
abgehalten worden sei, an dem wichtige Bosse lokaler Mafiafamilien teilgenommen
hätten. Der Versammlungsraum, vielleicht eine Sakristei, sei von den Ermittlern
im Voraus mit Abhörwanzen und Mikrophonen bestückt worden. So hätten sie die
Beratungen direkt mitverfolgen und Ermittlungen auslösen können, die dazu
geführt hätten, die Namen aller Teilnehmer und vieler ihrer Kontaktpersonen zu
erfahren. Der Umstand, dass die Operation dank dem Hinweis eines mysteriösen
Informanten möglich geworden war, blieb in den Zeitungen jedoch unerwähnt.
    In der
Morgendämmerung hatten rund tausend Carabinieri mit Hubschraubern und
Hundestaffeln die Insel abgesucht, und man hatte gut hundert Mafiosi in ihren
Häusern aufgestöbert – einige von ihnen hochbetagt – und sie festgenommen. Den
Richtern der Antimafia-Bezirksdirektion des Provinzkommandos Palermo zufolge
versuchte diese geschlossene kriminelle Gruppe, die berüchtigte, von Totò ò [277]  zoppo
geschaffene Provinzkommission der Cosa Nostra,

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