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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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wieder weggehen. Aber die Tür wurde aufgerissen, und ein dicker Mann mit nacktem Oberkörper stand da und glotzte ihn an.

    - Ich habe nicht »Herein« gesagt.
    Daniel beherrschte die Sprache noch immer ziemlich mangelhaft. Aber einige Worte konnte er deutlich aussprechen.

    Der Mann starrte ihn an.
    - Ich habe nicht »Herein« gesagt, wiederholte Daniel. Der Mann roch schlecht. Aus seinem Körper, aus den Kleidern, aus dem Mund. Daniel atmete durch den Mund, damit ihm nicht übel wurde. Er hatte Angst. Er hatte nicht gesagt, der Mann solle die Tür öffnen und hereinkommen.
    Trotzdem hatte er es getan. Daniel hatte geglaubt, es sei eine Regel, gegen die niemand verstoßen durfte.

    - Es klopft in meinem Kopf, sagte der Mann. Es klopft von hier oben. Bist du das, der auf den Boden stampft?

    Daniel sah auf sein Springseil. Es hatte gegen die Dielen geschlagen.
    Der Mann folgte seinem Blick.

    - Bist du nicht bei Trost? Ein kleiner schwarzer Teufel, der in meinem Kopf seilspringt?

    Er tat einen Schritt nach vorn und riß das Seil an sich. Daniel versuchte es festzuhalten, aber der Mann war sehr stark, und Daniel erkannte, daß er es verlieren würde, wenn er nicht seine Zähne benutzte. Er beugte sich vor und biß sich in einer Hand des Mannes fest. Der Mann schrie laut vor Schmerz, aber Daniel konnte nicht loslassen. Seine Kiefer hatten sich verkrampft. Der Mann brüllte und versuchte sich loszureißen. Schließlich gelang es Daniel, die Zähne auseinander zu bekommen. Der Mann stierte auf seine Hände, von denen das Blut tropfte. Das Seil hatte er losgelassen. Es lag am Boden.

    Jetzt schlägt er mich tot, dachte Daniel. Er wird mich in die Kehle beißen und mich schütteln, bis ich sterbe.
    Der Mann atmete in schweren, keuchenden Zügen. Er sah auf seine Hand, als begriffe er nicht, was geschehen war, drehte sich um und wankte zur Tür hinaus. Daniel schloß sie hinter ihm und wischte sich das Blut vom Mund. Unter ihm war es still geworden. Noch immer verstand er nicht, was passiert war. Warum hatte der Mann die Tür geöffnet, ohne die Erlaubnis zum Eintreten bekommen zu haben?
    Er stand mitten im Zimmer und bewegte sich nicht.

    Auf der Straße hörte man ein Pferd wiehern. Kurz darauf bellte ein Hund, und ein Mädchen schrie auf.
    Dann hörte er Schritte auf der Treppe. Er erkannte sie sofort. Es war Vater, der zurückkam. Er ging langsam, trat vorsichtig auf, trampelte nicht. Es klopfte an der Tür.

    - Herein.
    Vater stand in der Tür und lächelte.

    - Du hast es gelernt, sagte er.
    Bevor Daniel antworten konnte, hörte man Lärm auf der Treppe. Der Mann, den Daniel gebissen hatte, stand in der Türöffnung, einen blutigen Lappen um die Hand gewickelt.
    - Sind Sie das, der diesen verdammten Troll hergeschleppt hat, der mir fast die Hand abgebissen hätte?
    Vater sah ihn verwirrt an. Er hielt ein braunes, fettiges Päckchen in der Hand, das nach Essen roch.

    - Ich glaube, ich verstehe nicht ganz. Der wütende Mann zeigte auf Daniel.

    - Der schwarze Affe da hätte mir fast die Hand abgebissen. Wollen Sie sehen?
    Er wickelte den blutigen Fetzen ab und zeigte die Wunde, aus der das Blut noch immer auf den Fußboden tropfte. Vater starrte erst auf die Hand und dann auf Daniel.

    - Warst du das?
    Daniel nickte. Die Zunge lag geschwollen in seinem Mund. Er bekam kein Wort heraus.

    - Ich bin Kohlenträger, sagte der Mann. Ich arbeite zwölf Stunden am Tag. Die Säcke wiegen bis zu zweihundert Kilo. Ich trage und schleppe. Und ich brauche meinen Schlaf. Und dann fängt es hier oben plötzlich an zu donnern.
    Er riß Daniel das Seil aus der Hand.

    - Er springt Seil. Als würde er auf meiner Stirn springen. Ich brauche Ruhe, damit ich schlafen kann.

    Vater verstand offenbar immer noch nicht, was geschehen
    war.
    - Er ist es nicht gewöhnt, sagte er. Er ist nicht an Fußboden und Wände und Decke gewöhnt. Es soll nicht wieder vorkommen.
    Der Mann wickelte sich den Lappen wieder um die Hand. Langsam schien er sich zu beruhigen.
    - Er sieht aus wie ein Mensch. Aber er hat Zähne wie ein Raubtier. Ich habe Frauen gekannt, die mich gebissen haben. Aber nicht so wie der da.
    - Er ist ein Mensch aus einem anderen Teil der Welt. Er ist vorübergehend hier zu Besuch.
    Der Mann sah Daniel an.
    - Ißt er Menschenfleisch?

    - Warum sollte er das tun?
    - Es fühlte sich an, als wollte er ein Stück aus meiner Hand reißen.
    - Er ißt genau dieselben Sachen wie Sie und ich. Der Mann schüttelte den Kopf.

    - Das Leben wird

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