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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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die Augen waren jetzt ganz offen, nicht abwesend, wie sonst so oft, wenn er mit ihm redete.

    Sie kamen in eine Wohnung, die sehr groß war. Eine Frau in weißer Schürze bat sie zu warten. Sie war erschrocken, als sie Daniel erblickte, obwohl er nicht vergessen hatte, einen Diener zu machen.

    Nach einer Weile trat ein Mann in einem langen roten Mantel mit einer Pfeife im Mund durch einen Vorhang. Er bewegte sich vollkommen lautlos. Daniel entdeckte zu seiner Überraschung, daß der Mann barfuß ging. Er hatte kein einziges Haar auf dem Kopf, aber das Gesicht war von einem Bart bedeckt. Er lächelte.

    - Hans Bengler, sagte er. Vor sechs Jahren haben wir auf einer Bank vor dem Dom in Lund gesessen.

    - Ich erinnere mich.
    - Ich habe die Dinge beim Namen genannt. Erinnerst du dich?
    - Ich erinnere mich.

    - Daß aus dir nie etwas werden würde. Vater lachte.
    - Du hattest keine Träume. Du wolltest nichts. Aber irgendwas muß passiert sein.
    - Ich habe angefangen, mich für Insekten zu interessieren.
    - Ich habe gelesen, was du in deinem Brief geschrieben hast. Ist dein schrecklicher Vater tot?
    - Er ist gestorben.

    - Und du hast geerbt?
    - So gut wie nichts.

    - Das ist schade. Eltern, von denen man nichts erbt, sind wertlose Eltern. Mein Vater war ein ganz unbedeutender Mann, der jedoch so schlau war, geschickt mit englischen Eisenbahnaktien zu spekulieren. Daher kann ich ihm nun sein im übrigen jämmerliches Leben verzeihen.

    Der Mann ohne Haare klopfte seine Pfeife in einer Silberschale aus.
    - Damals habe ich gesagt, aus dir würde nichts werden.

    - Ist es auch nicht. Aber ich habe in der Kalahariwüste ein bisher unbekanntes Insekt gefunden.

    - Und du hast einen schwarzen Jungen bei dir. Schläfst du zwischen seinen Beinen?
    Vater war empört. Daniel verstand nicht, wieso.

    - Was meinst du damit?
    - Das, was ich sage. Gewisse Männer bevorzugen ihr eigenes Geschlecht. Besonders wenn es sich um exotische junge Männer handelt. Ich hatte einen Professor in Geologie, der schließlich gezwungen war, sich die Kehle durchzuschneiden. Es wurden regelmäßig Stalljungen in seine Wohnung bestellt. Man versuchte natürlich es zu vertuschen. Aber alle wußten davon.

    - Er hat keine Eltern mehr. Ich habe ihn adoptiert. Es ist nichts Unanständiges an dem, was ich tue.
    - Ich bin dafür bekannt, daß ich unverschämte Fragen stelle. Das kannst du doch nicht vergessen haben?
    Vater breitete die Arme aus und legte den einen beschützend um Daniels Schultern.
    - Ich lasse ihn hier.
    Vater hockte sich vor Daniel hin.
    - Dieser Mann heißt Alfred Boman und ist Künstler. Er bildet Menschen ab. Er zeichnet sie. Außerdem ist er auch auf andere Weise an dem Aussehen der Menschen interessiert. Auf eine wissenschaftliche Weise. Er mißt ihre Köpfe, die Länge ihrer Füße, den Abstand zwischen Mund und Augen. Ich lasse dich hier. Und du tust, was er sagt. Heute abend hole ich dich wieder ab.
    Er blieb allein mit dem Mann zurück, der Alfred hieß. Alfred lächelte und ging einmal um Daniel herum. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging denselben Weg in die andere Richtung. Der Pfeifenrauch roch scharf. Der Mann war außerdem in Parfümgeruch eingehüllt, aber vor allem war er barfuß. Daniel hatte wund gescheuerte Stellen von den neuen Stiefeln, die er bekommen hatte, bevor sie das Haus im Wald verließen.
    - Wir gehen da hinein, sagte der Mann.

    Daniel folgte ihm. Die Wände waren voller Bilder. Auf einigen Tischen standen starre und bleiche Menschen. Aber im Vergleich mit dem Mann auf dem Pferd waren sie klein, weiß, blaß, als wäre das Skelett bereits durch ihre Haut gedrungen. Sie kamen in einen Raum mit einem großen Fenster in der Decke. An den Wänden hing eine Reihe von Bildern. Auf einem Tisch gab es Farben in Tuben und Dosen.

    Daniel entdeckte, daß eins von den Bildern ein Tier darstellte, das der Antilope glich, an der Kiko gearbeitet hatte. Im Gegensatz zu dem Bild, das Kiko in den Felsen geritzt hatte, war dieses Tier ganz still. Es hatte Daniel den Kopf zugewandt und sah ihm direkt in die Augen. Der Mann, der das Bild gemacht hatte, war sehr geschickt.
    - Ein Rothirsch, sagte der Mann. Ich habe ihn gemalt, als ich gerade nichts Besseres zu tun hatte. Tiere male ich nur, wenn Menschen mich mal wieder mißmutig machen.
    Daniel konnte sich von dem Bild nicht losreißen.
    - Es erzählt dir etwas, sagte der Mann mit der Pfeife. Die Frage ist nur, was.
    Daniel antwortete nicht. Er berührte das Bild

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