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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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interessierten als für Daniel.
    - Sie sind lange außer Landes gewesen, Hans Bengler. Schwarze Menschen sind in diesem rückständigen Land entweder Wilde oder Sklaven. Sie garen Missionare über dem Feuer oder sie werden in Ketten geschlagen. Will man dieses Bild ändern, muß man dafür sorgen, daß sie kommen.
    Daniel verstand, daß sie von ihm sprachen. Aber er interessierte sich mehr für die Frau, die sich noch immer hinter dem Holzstoß versteckte. Er hatte Lust, zu ihr hinzulaufen und eine ihrer schmalen Hände zu ergreifen. Aber ihm war klar, daß sie stand, wo sie stand, weil sie nicht gesehen werden wollte.
    Wickberg rollte das Plakat zusammen.
    - Sie werden noch früh genug einsehen, daß ich recht habe, sagte er und nickte bedeutsam zu seinen von Geldscheinen ausgebeulten Strümpfen hinunter.

    - Sie sind ein Gauner, sagte Vater. Aber der Rest des Vertrags ist in Ordnung.
    Wickberg wurde rot im Gesicht.

    - Sagen Sie nicht Gauner zu mir. Was Sie wollen. Nur das nicht.

    - Jeder hat Angst vor seinem richtigen Namen, sagte Vater. Ich begnüge mich damit, Sie Strauchdieb zu nennen.
    Wickberg griff sich ans Herz, dann umfaßte er sein Handgelenk, um den Puls zu fühlen. Er war hochrot im Gesicht.
    - Lassen Sie das Herz aus dem Spiel, sagte Vater. Es steckt keine Herzdame unter Ihrem Mantel. Da steckt ein Pik mit einer niedrigen Zahl. Wenn die Leute erst einmal herbeiströmen, müssen die Schlange und der Wilde vom Plakat verschwinden.

    Wickberg nickte erschöpft.

    Das Gepäck wurde ins Hotel gebracht, ein Gebäude aus rotem Backstein. Wickberg hatte ein frühes Abendessen bestellt. Er hatte ein Séparée im Speisesaal reservieren lassen. Nachdem sie ihr Zimmer bezogen hatten, nahm Vater Daniel mit in ein Geschäft, das Seemannshosen verkaufte. Der Mann hinter dem Tresen fing an zu zittern, als er an Daniel Maß nehmen sollte. Vater war müde und irritiert.
    - Verdammtes Gefummel, schnauzte er. Der Junge ist völlig normal. Schmale Taille.
    Ein Paar Hosen wurden hervorgeholt und probiert. Sie paßten ohne Änderungen. Sie kehrten ins Hotel zurück. Wickberg erwartete sie schon im Separee.

    Die Frau mit dem roten Schleier war verschwunden. Daniel drehte sich auf der Straße immer wieder um und hielt nach ihr Ausschau.

    - Wonach schaust du? fragte Vater.
    - Nach nichts, antwortete Daniel.

    Wickberg hatte ein großes Essen servieren lassen. Vater bekam sofort gute Laune, als er den gedeckten Tisch sah.

    - Heute abend ist frei, sagte Wickberg. Ausspannen ist wichtig. Außerdem ist Strängnäs eine träge Stadt. Die Menschen müssen nachdenken, Entschlüsse fassen, ihre Kleider lüften. Aber morgen wird es voll werden.
    - Wo findet es statt?

    - Der Bischof hat furchtbare Angst vor allem, was nicht von oben kommt. Er hat die Nutzung des großen Saals im Stiftshof verboten. Der Bürgermeister hat Angst vor dem Bischof, also hat er uns das Rathaus gesperrt. Blieben die Freimaurer. Dort ist die Akustik schlecht. Aber wir werden Stoffplanen unter die Decke hängen.
    Vater trank aus einem der Gläser, die, wie Daniel gelernt hatte, für das bestimmt waren, was Schnaps hieß. Er spuckte trocken in die Luft und wirkte zufrieden.
    - Morgen findet außerdem nach dem Auftritt ein Essen statt. Der Schriftsteller Ehrenhane lädt ein.
    - Was schreibt er?

    - Kitsch. Triefende Huldigungen an das Königshaus. Aber er verstößt gegen seine eigenen Überzeugungen und besucht Huren in Kopenhagen, konspiriert mit den Radikalen und bittet mitunter Landstreicher an seine Tafel.
    - Bin ich damit gemeint?

    - Auf keinen Fall. Aber in diese Stadt kommen nicht viele Reisende aus fremden Ländern. Als junger Mann war er außerdem ein leidenschaftlicher Pflanzenpresser. Er besitzt eine gigantische Sammlung von Eichenblättern.
    Daniel stocherte in seinem Essen herum. Er hatte immer noch einen Knoten im Bauch. Irgendwo in der Nähe war die Frau mit dem Schle ier, das wußte er.

    - Bist du nicht hungrig? fragte Vater, der sein Stochern entdeckt hatte.
    - Ich habe Bauchweh.

    - Er ist müde, sagte Wickberg. Er kann ein Butterbrot aufs Zimmer bekommen.

    - Ja, danke.
    Vater betrachtete ihn forschend.
    - Keine Ausflüge in die Nacht!

    - Nein, antwortete Daniel. Ich werde schlafen.
    Er fand allein die Treppe hoch. Als er in das leere Zimmer kam, stellte er sich ans Fenster und spähte auf die Straße hinunter. Da stand ein einsamer Pfosten mit einem zischenden Licht. Er wußte, daß Vater ihn festbinden würde, wenn er nach draußen

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