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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Gaul mit auffallend durchgebogenem Rückgrad und
hängendem Kopf ein neues Eisen anzupassen. Ein Stallbursche hält das Tier am
Zaumzeug.
    Joan wendet sich Brix’ Stalltür
zu. Als sie diese öffnet, streckt er ihr den Kopf entgegen und begrüßt sie
wiehernd. Sie gibt ihm seine Streicheleinheiten, legt ihm daraufhin den alten
Strick um den Hals und führt ihn daran nach draußen. Als sie ihn an einem Ring
in der Stallwand festgemacht hat, mistet sie seinen Stall aus, legt ihn mit
frischem Stroh aus, streut Hafer in den Trog und gibt Heu in die Raufe. Das
abgestandene Wasser in seinem Bottich wechselt sie gegen frisches vom
Ziehbrunnen aus. Dann wendet sie sich Brix zu. Die Peitschenstriemen heilen gut
und gestatten es ihr, vorsichtig sein Fell auszubürsten, um Schmutz und Schweiß
zu entfernen. Anschließend reibt sie ihn mit einem feuchten Strohwisch ab. Wie
immer kämmt sie Mähne und Schwanz und reinigt seine Hufen von Dreck und kleinen
eingetretenen Steinchen. Morgen will sie ihn ein wenig im Zwinger bewegen. Gerade
bindet sie ihn ab, als der Stallbursche von gestern auftaucht.
    „Wie war dein Name, englischer
Hundsfott?“
    Joan fühlt sich von ihm nicht
getroffen, was es ihr erlaubt, ihm ruhig entgegen zu blicken. „Jack.“
    Überrascht hebt er eine Braue,
kaut nachdenklich an einem seiner Fingernägel und spuckt etwas davon weg. „Mein
Herr will morgen diesen Teufelsgaul reiten. Er lässt dir ausrichten, dass du
ihn gegen Mittag im Zwinger bereithalten sollst.“
    Joan schüttelt entsetzt den
Kopf. „Er wird nicht mal in seine Nähe kommen“, ruft sie aus, was ihr sein
dümmliches Grinsen beschert.
    „Das soll wohl nicht unser
Problem sein, was?“
    Sie atmet ungeduldig durch.
„Mit ein wenig Vorstellungskraft schon! ... Ich könnte mir denken, dass dein
Herr ziemlich wütend werden kann.“
    Dem Burschen vergeht sein
Grinsen. Beunruhigt reibt er sich über die Stirn.
    Ein Liebhaber schneller
Entschlüsse scheint er offenbar nicht zu sein. Auf seine Hilfe jedenfalls kann
sie nicht bauen. „Wir werden sehen“, murmelt er lahm. „Zaumzeug und Sattel findest
du dort drüben in der Sattelkammer“, bemerkt er noch, wobei er mit dem Kopf auf
ein windschiefes, niedriges Gebäude in der Nähe weist und ihr im Weggehen den
Rücken zukehrt. „Ich heiße übrigens ebenfalls Jack.“
    Gedankenversunken führt Joan
Brix in dessen Stall zurück und schließt die untere Tür, über der sofort der
Kopf des Tieres erscheint. Mit dem weichen Maul stupst er sie gegen eine
Schulter.
    „Sei morgen ausnahmsweise
einmal nett zu diesem Bastard. Bitte Brix.“
    Beim Klang ihrer Stimme hält er
beinahe verständnisvoll den Kopf schräg. Sie streicht und küsst ihm zum
Abschied über die Blässe. „Bis morgen. Und lass es dir schmecken.“
    Joan schlendert zum Wohnturm
hinüber. Beim Gedanken an Toms Grußworte überkommt sie ein flaues Gefühl. Sie
betritt den Wohnturm. Als ihr verheißungsvolle Düfte aus der Küche
entgegenschlagen, sind ihre Bedenken wie verflogen. Erwartungsvoll betritt sie
die Schwüle der Küche. Heute herrscht beinahe ein noch regerer Betrieb. Die
Mägde und Knechte laufen mit geröteten Gesichtern und vollen Tabletts
geschäftig an ihr vorüber. Beim Anblick von Wildschweinbraten, Fasan, kleinen
Pasteten, gefüllten Täubchen, braun gerösteten Rebhühnern, gebratenen Äpfeln
und allerlei gegarten Gemüsesorten läuft Joan das Wasser im Mund zusammen. Die
Herrschaften waren wohl erfolgreich auf der Jagd gewesen. Joan blickt sich
suchend nach Bess um. Als sie diese beim langen Tisch stehend gewahrt und die
Tabletts bestücken sieht, verhält sie unschlüssig beim Eingang. Sie möchte Bess
nicht stören. Doch diese hat Joan bereits bemerkt und winkt sie zu sich
herüber.
    Joan sieht ihr kurz dabei zu,
wie sie zwei Taubenbrüstchen auf einem Tablett zurechtlegt und noch mit
Bratäpfeln garniert. Sie holt Luft. „Tom haben die Flöhe deines Strohsackes
zugesetzt. Eine Stelle juckt ihn ganz besonders und er fragt, ob du nicht mal
... reiben könntest.“ Sie atmet auf und beobachtet verhalten, wie sich Bess
prustend den Handrücken über den Mund legt. Schnell jedoch fängt sich diese
wieder und schüttelt belustigt den Kopf mit der weißen Haube.
    „Komm Junge, setz dich. Du
siehst schon viel besser aus. ... Hier.“ Sie reicht ihr eine Pastete. Joan
nimmt sie eilig entgegen und beißt hungrig ab. Die Köstlichkeit ist mit
Ziegenkäse, Pilzen, Knoblauch, Zwiebelringen und Kräutern gefüllt und

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