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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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hebt er eine Braue.
„Überrascht dich das?“
    Sie atmet durch. „Ja. Weil ich
es abscheulich finde, als Frau so groß zu sein.“
    „Du weißt nicht, wie schön du
bist“, erwidert er, so dass sie für einen Moment ganz verlegen nach unten auf
ihre schaumigen Hände blickt.
    Keck sieht sie wieder zu ihm
auf. „So passe ich wohl besser zu dir?“
    Er schmunzelt. „Würde dir das
etwas bedeuten“, fragt er zurück, wobei er sie nicht aus den Augen lässt. Ihr
Lächeln verschwindet. Ernüchtert starrt sie vor sich ins Wasser und schüttelt
den Kopf. Daraufhin blitzt sie ihn an, wendet ihre Aufmerksamkeit jedoch
plötzlich ihrem Vater zu, der sich soeben bewegt hatte. Auf Malcoms Seufzen hin
treffen sich ihre Blicke erneut.
    „Warum nur setzt du mir so zu,
Malcom? ... Womit habe ich dein Misstrauen verdient?“
    „Und warum antwortest du mir
nie“, fragt er gedehnt. Da sie ihm erneut eine Antwort schuldig bleibt, beugt
er sich seufzend vor, um ihren Vater bis zum Hals ins Wasser abzulassen. Als
dieser stöhnt, kommt Joan besorgt an seine Seite.
    „Vater?“ Doch dieser rührt sich
nicht, so dass sie sich wieder Malcom zuwendet. „Weil es mich verletzt. ... Ich
verstehe nicht, warum du nicht spürst, was ich für dich empfinde und dass du
statt dessen immer fragen musst.“ Sie wird wütend. „Hast du keine Augen im
Kopf, Malcom? ... Wenn mir nichts an dir läge, wäre ich nicht in den Kerker
zurückgekehrt. Nie hätte ich mich noch einmal freiwillig diesem Bastard
ausgeliefert!“
    Er stößt den Atem aus. „Ich
weiß.“ Mit geschlossenen Augen lehnt er den Kopf gegen die Uferböschung.
„Versteh doch. Ich bin einfach verunsichert wegen unserer ersten Nacht.“ Er
schlägt die Augen auf. „Ich bin ein eigensüchtiger Mistkerl und frage mich, was
dich bei mir hält. Mich plagt ein furchtbar schlechtes Gewissen!“
    „Zu recht“, wirft sie gnadenlos
ein und vernimmt sein gequältes Stöhnen mit leiser Schadenfreude. Doch sie
lässt ihn schmoren.
    Verstohlen blickt er auf
Raymond herab, den die Wärme des Wassers allmählich zu beleben scheint.
„Überdies begreife ich etwas nicht und wollte lediglich Klarheit. ... Warum
kannst du dich nicht überwinden und mir antworten. Das würde alles einfacher
machen.“
    Sie runzelt die Stirn. „Ich
weiß nicht, wovon du redest. Wenn du die Angelegenheit mit Phil meinst ...“ Ihr
Vater schlägt die Augen auf. Joan begrüßt ihn, indem sie ihm zärtlich übers
Gesicht streicht. „Lass uns später weiterreden, Malcom.“ Als dieser
einverstanden nickt, wendet sie sich gänzlich ihrem Vater zu. Forschend blickt
sie in dessen herrlich grüne Augen. Dem einzigen, was noch an den früheren
Raymond erinnert. Sie wirken noch größer als ehedem, da sein Gesicht stark
abgemagert ist.
    „Johanna. ... Mein Kind, ... du
bist erwachsen.“ Das Sprechen fällt ihm schwer. Er hustet.
    „Vater, wir haben es
geschafft“, murmelt sie freudig und legt ihm einen Finger über die Lippen.
„Nicht reden, es strengt dich zu sehr an.“ Sie küsst ihm die Stirn. „Ich liebe
dich.“
    Er lächelt, nimmt jedoch ihren
Finger vom Mund. „Wie lange war ich ...“, er hustet wieder.
    „Beinahe zwei Jahre“, erwidert
Malcom hinter ihm betrübt. Als Raymond eine Hand nach ihm ausstreckt, kommt er
ein wenig um ihn herum, damit er ihn ansehen kann.
    „Verzeih“, haucht Raymond
schwach. „Ich konnte sie nicht retten.“
    Malcom steht der Kummer ins
Gesicht geschrieben. „Oh Ray. Was du für mich getan hast ...“, er atmet durch,
„Ich stehe tief in deiner Schuld.“
    „Unsinn“, erwidert Raymond,
bevor er wieder zu husten beginnt. Entkräftet schließt er die Augen.
    Nach einem sorgevollen Blick zu
Joan lehnt sich Malcom schwermütig wieder zurück.
    Sie weiß, dass er an ihre toten
Geschwister denkt und daran, dass ihr Vater seinetwegen enteignet und zum Tode
verurteilt wurde. Von all dem hat dieser noch nicht einmal eine vage Ahnung.
Wobei sie es allerdings in Anbetracht seines Zustandes vorerst belassen
sollten. Seufzend spült ihm Joan mit der hohlen Hand etwas Wasser übers
Gesicht. Als der Dreck angeweicht ist, reibt sie ihm diesen mit dem schäumenden
Pflanzengewirr behutsam ab. Malcom nimmt ihn kurzerhand höher, um sich hinknien
zu können. Dann lässt er ihn so weit ins Wasser hinabgleiten, dass Joan ihm das
Haar waschen kann. Doch das Holpern eines Karrens lenkt ihre Aufmerksamkeit zum
Weg hin ab. Ein lustig pfeifender Bauer kommt gemächlich mit seinem
Ochsengespann

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