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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Er sollte es hier schon schwerer haben, zu dir und Ray vorzudringen.
Dennoch können uns Fehler oder Unachtsamkeiten unterlaufen, welche er ausnutzen
könnte.“ Er betrachtet sie aufmerksam. „Er scheint äußerst gewieft zu sein.
Drang er doch vermutlich damals in Thornsby Castle ein, um dich und den Steward
zu töten. Du hast ihn wahrscheinlich gesehen.“
    Joan stockt der Atem.
    „Vielleicht kannst du dich ja
an ihn erinnern. Wenn dir irgendetwas einfällt, erzähle es mir. Auch wenn es
dir noch so unwichtig erscheint.“
    Sie nickt aufgewühlt und hofft
plötzlich, dem Schwert nicht zu früh abgeschworen zu haben.
    Schweigend reiten sie den
breiten Waldweg in weiten Serpentinen bergan. Ein jeder hängt seinen Gedanken
nach. Mit einem Male lichtet sich der Wald. Ein merklich rauerer Windzug spielt
an ihrer Kleidung, so dass Joan fröstelnd die Schultern hochzieht. Sie befinden
sich auf einem kahlen, langen Bergrücken. Er gibt den Blick weit ins hügelige
Land hinaus frei und Joan nimmt die Grasflächen der Weiden, idyllisch in Tälern
gelegene kleine Dörfer mit ihren angrenzenden Äckern, einen größeren, nach
Westen fließenden Fluss und vereinzelte Wälder in sich auf. Dann folgt sie mit
den Augen dem Weg, auf welchem sie reiten. Er führt auf dem Kamm entlang direkt
zu einer großen, bedrohlich wirkenden Festung aus dunkelgrauem Gestein. Diese
thront auf einem ebenso grauen, schroffen Felsen, der am Ende des Bergrückens
liegt und von letzterem durch einen tiefen Schlund getrennt wird. Die Burg wird
von einer doppelten, zinnenbesetzten Wehrmauer umgeben, deren Türme protzig ins
Land blicken. Die Ringmauer wurde dabei dem Felsen angepasst und überragt die
Zwingermauer, die sich an die steile Schlucht anschmiegt und dort scheinbar
endet, dadurch um über das Doppelte. Über der Ringmauer thront der trutzige
Wohnturm mit seinen Nebengebäuden, die in einem Halbkreis angeordnet sind. Der
Burghof davor scheint beinahe ebenerdig an die Brustwehr der Ringmauer zu
grenzen. Man kann vereinzelte, winzige Gestalten erkennen, die sich darüber
hinweg bewegen oder an den Zinnen stehen und ihnen entgegenzublicken scheinen.
    Nicht lange, und der Kammweg
geht seitlich der steilen Kluft wieder in Serpentinen über, die bergab führen.
Ein steiler Pfad schneidet sie als Abkürzung mitten durch.
    Nigel geleitet sie über die
Serpentinen gemächlich zum Burggraben vor der zinnenbesetzten Zwingermauer, den
sie über die heruntergelassene Zugbrücke queren. Die Wache am Burgtor begrüßt
sie freudig. Das beeindruckende Tor wird von zwei Seitentürmen flankiert, von
deren steinernen Kegeldächern ihnen Fahnen mit der purpurnen Farwickdistel
munter entgegen wehen. Sie scheinen ihnen als Willkommensgruß zuzuwinken. Ein
steiler, steiniger Weg führt sie hernach zum Felsen mit der Ringmauer obenauf
und geleitet sie dann nach links dicht am Fels entlang zum oberen Tor hinauf.
Joan erinnert sich, dass Vater ihr einst von Burgen erzählte, deren Wege links
an den Mauern vorüberführen. Angreifer würden auf diese Art auf dem Weg zum Tor
hinauf ihren vom Schild ungeschützten Schwertarm siedendem Wasser oder Öl,
Griechischem Feuer, Pfeilen oder Wurfgeschossen preisgeben, welche von der
Ringmauer auf sie niedergingen.
    Sie reiten ins Tor ein. Dieses
wurde tief in den Felsen getrieben. Seitlich hinter dem Fallgitter liegt eine
geräumige Felsnische, welche als Torkammer dient und bemannt ist. Der etwa
zwanzig Schritt lange Weg bis zur trutzigen, eisenbeschlagenen Eichenholzpforte
mit einer Pechnase darüber macht eine leichte Rechtskrümmung. Das Tor dürfte
somit für langes Rammwerkzeug unerreichbar sein, fällt Joan auf. Die Anlage von
Farwick Castle scheint gut durchdacht. Doch das vermag sie nicht zu beruhigen.
Denn all diese Maßnahmen kämen einem einzelnen Schurken, der im Geheimen morden
will, nicht bei.
    Sie reiten aus dem Tor heraus
noch ein kurzes Stück bergan und gelangen in den Burghof. Dieser ist riesig. So
auch der trutzige Wohnturm, der sich bedrohlich über die restlichen Bauten
erhebt. Joan erkennt Ställe, Wirtschaftshäuser und eine Kapelle, allesamt vom
selben düsteren Grau, dem Gestein, aus welchem die hiesigen Felsen bestehen.
Ihr Blick bleibt an Gerold hängen, der auf einen Stock gestützt hinkend auf sie
zukommt. Ihm folgt eine schöne junge Adlige in einem langen weinroten Samtkleid
mit eng anliegenden Ärmeln und einem Witwenschleier über dem wallenden,
kastanienbraunen Haar. Sie führt einen etwa

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