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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Handrücken
enden. Wie gewöhnlich ist das Kleid überlang, um einen schönen Faltenwurf
hüftabwärts zu erzeugen.
    Blanche betrachtet sie
versonnen. „Du bist bildschön, Joan. ... Ich hoffe, Raymond eines Tages
ebenfalls eine solch schöne Tochter schenken zu dürfen.“
    Joan schaut überrascht auf.
Dann lacht sie, rafft galant das Kleid und dreht sich verzückt im Kreis. „Ich
danke dir, Blanche. Ich habe noch nie ein solch schönes Kleid besessen! Und es
ist von meiner Lieblingsfarbe!“
    Blanche nickt zufrieden. „Grün
kleidet dich am besten.“
    Sie lächeln sich an. Joan weiß
Blanches Geste zu schätzen. Und nicht nur aus der Not heraus, dringend eines
Kleides zu bedürfen. Sie bemerkt sehr wohl Blanches Versuch, eine Brücke zu ihr
zu schlagen. Aufatmend lässt sie sich auf einem Stuhl neben ihrem geräumigen
Bett nieder. Sie gewahrt, dass Blanche den Witwenschleier nicht mehr trägt.
Nachdenklich schlägt sie mit der flachen Hand neben sich auf die Matratze.
„Bitte setz dich doch kurz zu mir, Blanche.“
    Diese nimmt vor ihr auf der
Bettkante Platz und betrachtet sie wohlwollend.
    Joan räuspert sich. „Darf ich
dich etwas fragen?“
    „Nur zu!“
    „Wie lange kennst du meinen
Vater bereits?“
    Blanche lacht. „Viele Jahre.
... Aber ich war glücklich verheiratet.“ Sie macht mit einem Male eine
nachdenkliche Miene. „Mein Gemahl zählte zu Malcoms Rittern.“ Ihr Blick
schweift ab zur gegenüberliegenden Fensternische, die mit ihren zwei steinernen
Seitenbänken und aufgrund der dicken Wände einem kleinen Gemach ähnelt. „Ebenso
mein Bruder Steven, von dessen Tod ich vorhin erfuhr.“ Abwesend fährt sie sich
mit einer ihrer schlanken, kleinen Hände über die Stirn und wendet sich Joan
mit einem verlorenen Lächeln wieder zu. „Mein Gemahl fiel vor etwa sieben
Jahren bei einem der unzähligen Scharmützel gegen die Schotten. Uns war gerade
einmal ein gemeinsames Jahr vergönnt.“ Sie schmunzelt plötzlich. “Allerdings
nicht ohne Folgen. Du hast Isabella noch nicht kennen gelernt. Es war das
freche Ding unter meinem Bett.“
    Joan nickt lächelnd.
    „Nun ja, etwa drei Jahre nach
dem Tode ihres Vaters schloss mich Raymond in die Arme“, endet Blanche.
    Es stimmt Joan nachdenklich.
„Warum hat er mir nie von dir erzählt?“
    Blanche zuckt die Schultern.
„Vielleicht aus Befürchtung, es würde etwas zwischen euch verändern? ... Du
wirst ihn bald selbst fragen können.“
    „Wie alt bist du, Blanche“,
fragt Joan wissbegierig weiter.
    Diese kichert. „Oh, nicht mehr
die Jüngste. Ich zähle fünfundzwanzig Lenze.“
    „Dann trennen euch rund zwanzig
Jahre“, wundert sich Joan.
    „Ja. Aber dein Vater hat die
Manneskraft eines Jünglings“, platzt Blanche vertraulich heraus und lacht ob
Joans bestürzter Miene.
    Es lässt dann auch Joan
grinsen.
    Blanche wird plötzlich ernster.
„Ich liebe ihn von ganzem Herzen, Joan. Mehr, als mein eigenes Leben.“
    Joan nickt versonnen. Sie kennt
dieses Gefühl.
    „Ich wünsche dir, dass du eines
Tages ebenfalls eine solche Liebe für jemanden empfinden kannst. Dadurch erst
lebt man.“
    Nachdenklicher Miene hebt Joan
die Brauen und atmet schwermütig durch.
    Es ist Blanche nicht entgangen.
„Du hast dein Herz bereits verschenkt?“
    Joan nickt. „Aber unser Weg ist
steiniger, als der anderer.“
    „Oh, was soll ich erst sagen.“
Blanche erhebt sich. „Durch das Rauhe zu den Sternen, wie es so schön heißt,
nicht wahr? ... Nun begib dich in die Große Halle und iss, so lange noch etwas
übrig ist.“
    „Ja. Doch das Kleid trage ich
vorerst noch nicht. Es wäre zu offensichtlich, was damit bezweckt werden soll“,
bemerkt Joan, während auch sie sich erhebt.
    Blanche ist überrascht. „Gut.
Wie es dir beliebt. ... Wir werden demnächst Stoffe für wenigstens noch einen
Surkot und für Cotten aussuchen müssen“, bekundet sie, wobei es an die Tür klopft.
    „Wer da?“ Joan verschränkt die
Arme vor der Brust.
    Malcom öffnet und betritt den
Raum. Eine Hand hält er dabei hinter dem Rücken versteckt. Bei Joans Anblick
bleibt er wie angewurzelt stehen. „Joan. ... Was hast du mit deinen Beinlingen
angestellt“, fragt er bewundernd.
    Joan tauscht mit Blanche
triumphierende Blicke, um ihm daraufhin mit einem verschmitzten Lächeln zu
begegnen. Sie vernimmt Bratenduft und kann sich denken, was er hinter seinem
Rücken versteckt hält. Graziös streckt sie ihm die Hand entgegen. „Monsieur.
Bietet Ihr heute keinen rohen Fisch? Ich

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