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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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grenzt an die grob nach Westen gerichtete Außenwand des Wohnturmes.
In diesem Bereich schmiegt sich die Ringmauer an dessen Fuß, die einen
ausgedehnten Garten zur Schlucht hin begrenzt. Dieser erstreckt sich
weiterführend hinter Kapelle und Wirtschaftsgebäuden und macht fürwahr einen
verwahrlosten Eindruck. Beete sind nur noch andeutungsweise auszumachen. Sie
werden von hohem Gras überwuchert. Wilde Rosen ranken sich lieblich anzusehen
am Wohnturm und der gegenüber liegenden Wehrmauer empor, Obstbäume sind nicht
verschnitten worden.
    „Eine Herausforderung“, bemerkt
sie, als sie sich ihm wieder zuwendet und zuckt gleichgültig die Schultern.
„Warum nicht. Doch könnte ich nie im Leben alles anpflanzen, was ich zumindest
gegen die wichtigsten Krankheiten benötige. Zudem wächst es nur im Wald. Du
wirst nicht umhin kommen, dort mit mir lauschige Tage zu verbringen.“
    Er scheint überrascht. „Mir war
nicht klar, dass du derart kräuterkundig bist.“
    Sie grinst, während sie den
Rahmen der Pergamentbespannung mittels zweier kleiner Balkenriegel wieder in
zwei in den Seitenwänden ausgesparten Löchern befestigt. „Das reinste
Kräuterweib. Du wärst nicht der erste Mensch, dem in dieser Hinsicht der
Geduldsfaden risse. Dorrit könnte ein Lied singen“, entgegnet sie eingedenk der
unzähligen Debatten, welche sie mit dieser im Kampf um geeignete Trockenplätze
für ihre Heilkräuter ausstand. Derweil schenkt sie Malcom eine flüchtige
Umarmung. Sie lässt ihn einfach stehen und schlüpft zur Tür hinaus.
    Fackeln in Wandhalterungen
erhellen ihren Weg. Mit gerafftem Kleid nimmt Joan die steinerne, breite
Wendeltreppe des Treppenturmes hinab, bis sie die Stufen zur Vorhalle im
Erdgeschoss erreicht. Die wenigen Fenster setzen dort gegen feindliche
Geschosse übermannshoch an und sind nichts weiter als schmale Schlitze, die
sich nach innen verbreitern. Ausreichend, um noch Licht und Luft einzulassen.
Bei einer Außenwand liegt der Ziehbrunnen. Die Tür zum Burghof steht noch
offen, worauf Joan erstaunt bemerkt, wie unheimlich dick die Wohnturmmauer hier
unten ist. Sieben Schritt, stellt sie umständlich fest, wobei sie sich schwört,
demnächst einen Gürtel über ihrem Kleid zu tragen, um es durch diesen raffen zu
können. Denn es ist ihr bei jedem Schritt im Wege, gemahnt sie stets daran,
dass sich körperliche Arbeit sowie weit ausholende Schritte für eine Adlige
nicht geziemen. Auf der Schwelle stehend blickt sie hinaus in eine kühle,
verregnete Nacht. Ihre Hand wandert prüfend über die waagerechten Rinnen in der
breiten Mauer des Einganges, welche Klemmbalken zur Verrammelung der Tür
aufnehmen können. Sie sind arg zerkratzt, mitunter gar herausgebrochen und
zeugen nur allzu deutlich von der bewegten, kriegerischen Vergangenheit der
Festung. Fröstelnd zieht sie die Schultern hoch und begibt sich wieder hinein.
Sie wird zuerst in der Küche nachsehen, ob sich geeignete Kräuter finden. Falls
sich der Regen in der Zwischenzeit einstellen sollte, kann sie noch immer beim
Misthaufen nach Bilsenkraut suchen. Morgen wird sie sich auch die Kräuterbeete
vornehmen.
    Durstig bleibt sie vor dem
Brunnen stehen. Dieser ist abgedeckt. Als sie ihn von der hölzernen Abdeckelung
befreit, schlagen ihr unversehens warme, übelriechende Dämpfe entgegen. Im
Grunde sollte sie gegen diese misstrauisch sein, übertragen sich doch
Krankheiten über solch stinkende Nebel. Doch sie vertraut bedenkenlos auf die
Kenntnis der Menschen hier. Denn schließlich ist es Brunnenwasser. Überdies
kommen ihr die Gerüche noch vom Bade im Bach vertraut vor. Behände lässt sie
somit den etwas gelblich verkrusteten Holzeimer nach unten in den
Brunnenschacht fallen. Letzterer ist erstaunlich tief, nach dem überraschend
lange währenden Flug des Eimers zu urteilen, bevor dieser endlich auf den
Wasserspiegel schlägt. Sie zieht am Strick des Eimers, um ihn voll Wasser
laufen zu lassen und kurbelt ihn wieder nach oben. Dabei gerät sie mächtig ins
Schwitzen. Sie stellt den Eimer auf dem Brunnenrand ab und taucht die
aneinandergelegten Hände hinein. Erschrocken zieht sie diese jedoch wieder
heraus. Das Wasser ist beinahe schon zu heiß für ihr Empfinden. Und es riecht
übel nach fauligen Eiern. Noch ärger, als jenes im Bach. Dennoch überwindet sie
sich. Ihr Durst ist größer als ihre Abneigung. Vorsichtig schöpft sie sich mit
der hohlen Hand Wasser in den Mund. Doch es schmeckt ebenso abscheulich, wie es
riecht, woraufhin sie

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