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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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gefangen hat“, erklärt er ihr mit versteckter Andeutung, welche
ihre Bedenken wohl fortwischen soll. „Ich warte in der Großen Halle auf ihn.“
    Sie nickt, rafft ihr Kleid und
folgt ihm die Wendeltreppe hinauf. Dabei fragt sie sich beklommen, ob er ihre
Gedanken lesen kann. Doch vermutlich besitzt er einfach nur einen überaus
hellen Verstand. Ärgerlich über ihr Unvermögen, sich ihre Gemütsverfassung
nicht am Spiel ihrer Miene anmerken zu lassen, gelangt sie hinter John zum
ersten Stock. Dort verlässt er den Treppenturm und neigt mit einem Handschwenk
grinsend das Haupt vor ihr.
    Lächelnd nickt sie ihm zu, um
gleich darauf weiter nach oben zu steigen. Als sie die Tür zu ihrer Kemenate
öffnet, findet sie Malcom schlafend auf ihrem Bett vor und küsst ihn kurzerhand
wach. Er legt einen Arm um ihre Taille und zieht sie auf sich herab. Joan wird
ganz warm ums Herz. Es kostet sie mühsame Überwindung, ihn nicht gewähren zu
lassen. Mit einem bedauernden Seufzer befreit sie sich von seinem Mund.
    „Malcom.“ Sie küsst ihm
flüchtig die Stirn. „Noseless John fragt nach dir. Er erwartet dich unten in
der Großen Halle.“
    Er stöhnt. „Das sieht ihm
ähnlich. Er kommt immer im unpassendsten Augenblick“, raunt er, während er sich
mit ihr im Arm herum wälzt, so dass sie unter ihm zu liegen kommt.
    Joan lacht auf, als er ihr mit
seinem struppigen Bart über Hals und Ausschnitt streicht. Er weiß genau, wie
empfindlich sie dort ist. Vergeltend krallt sie ihm die Finger ins Haar und
zieht seinen Kopf daran zurück.
    „Malcom, nicht. Man sieht sonst
noch die Kratzer“, bittet sie, wobei sie sein Gesicht zwischen die Hände nimmt.
    „Na und? Sollen sie es doch
wissen. Oder stehst du etwa nicht mehr zu mir?“ Er drückt ihr einen Kuss auf
den Mund und erhebt sich.
    „Sei nicht albern! ... Aber
hier kennt uns doch jeder. ... Ich weiß nicht. ... Es ist doch unzüchtig und
obendrein Sünde.“
    Er zuckt gleichgültig die
Schultern und beginnt, sich im spärlich durch den Türspalt einfallenden
Fackelschein anzukleiden.
    „Wann hast du das letzte Mal
gebeichtet“, fragt sie ihn ganz unvermittelt.
    Er lacht auf. „Da fragst du den
Falschen“, erwidert er unbesorgt. „Blanche macht sich da übrigens nicht so
viele keusche Gedanken, wie du“, bemerkt er, während er sich zu ihr aufs Bett
setzt, um sich die Beinlinge überzustreifen.
    Joan seufzt. „Ich bin es eben
nicht gewöhnt. Bisher mussten wir es ja immer verbergen. Und dabei wünschte ich
stets nichts sehnlicher, als dass dies anders wäre.“
    „Ist das wahr?“
    „Hm.“
    „Dann solltest du dich langsam
daran gewöhnen.“ Er erhebt sich und reicht ihr auffordernd die Hand. „Ich werde
jedenfalls keinen Hehl daraus machen.“
    Sie nimmt seine Hand und kommt
auf die Beine. „Ein großes Geheimnis ist es ohnehin nicht mehr. Blanche weiß es
und Noseless John hat es auch beinahe sofort erfasst.“
    Er lacht. „John bleibt nichts
verborgen. Aus diesem Grunde ist er auch mein Steward.“
    „Warum haben sie ihm die Nase
abgeschnitten“, fragt sie neugierig.
    „Als Verwarnung gegen seine
lose Zunge gegenüber der königlichen Untreue und den Machenschaften der Percys.
Er äußerte nicht nur einmal öffentlich bei Hofe Kritik am Earl von
Northumberland. Hat ihnen nicht gefallen und sie haben ihm diese Warnung
zukommen lassen.“
    „Aber es ist gegen das Recht“,
empört sie sich, worauf er verdrießlich die Luft zwischen den Zähnen
hervorstößt.
    „Du verwunderst mich, Joan.
Hast du alles vergessen, was sie dir und mir angetan haben? Sie verdrehen das
Recht nach ihrem Gutdünken. Und sie hinterlassen nie Zeugen, mit Ausnahme ihrer
eigenen.“
    Sie atmet durch. „Zuviel Macht
schafft offenbar nur Willkür.“
    „Ja. Zumindest, wenn man
machthungrig, rücksichtslos und kaltblütig genug ist.“
    Sie nickt nachdenklich.
„Wenigstens haben sie ihm nicht die Zunge herausgerissen“, überlegt sie laut.
    Malcom lässt ein verächtliches
Schniefen vernehmen. „Sie wollten es, aber er durfte großzügig zwischen dieser,
seiner Nase und den Ohren wählen. ... Nun komm.“ Er führt sie zur Tür.
    „Ich hätte die Ohren gewählt“,
meint sie gedankenversunken.
    Malcom lässt ihr den Vortritt.
„Das tat er auch.“
    „Aber sie hielten sich
natürlich nicht daran“, schlussfolgert sie mit tonloser Stimme.
    „Doch, das haben sie. ... Aber
sie waren wohl gerade einmal so schön dabei.“

Pläne schmieden
    Gerold und
Nigel sitzen bereits bei

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