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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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Joan und zeigt mit dem Finger auf ihn. „Das meint er ernster, als du
glaubst. ... Kannst du ihm nicht irgendwas geben, das ihn wieder ans Bett
fesselt?“
    Raymond stützt sich noch etwas
unsicher an der Wand ab und kommt auf sie zu gewankt. „Ich wüsste da etwas“,
äußert er verschmitzt, wobei er ihr seine Arme um die Taille schlingt. Blanche
lacht gut gelaunt auf. Er ist beinahe zwei Köpfe größer als sie, lässt sie
trotz seiner Magerkeit ganz zierlich erscheinen. Joan beobachtet beide lächelnd
und freut sich über ihr Glück. Mit einem vernehmlichen Räuspern rückt sie sich
ihnen wieder in Erinnerung.
    „Ich störe euch ja nur ungern,
aber wir sollten dem letzten Läusehort auf den Pelz rücken, ehe er zum
vorletzten wird.“
    Blanche
löst sich daraufhin eilends aus Raymonds Umarmung, um lachend Abstand von ihm
zu nehmen.
    Joan sitzt
gegenüber von Blanche bequem auf einer der beiden steinernen, fellbedeckten
Seitenbänke in der Fensternische ihrer Kemenate. Von ihrer neugewonnenen
Freundin trennt sie ein schmaler Holztisch, den sie sich von einem der Knechte
hatte anfertigen lassen. Auf diesem stehen drei ölgefüllte Phiolen, in welche
sie nun zerkleinertes Johanniskraut gibt. Blanche ihrerseits stickt an der
Jagdszene eines hübschen Wandbehanges. Sie sind in eine muntere Plauderei
vertieft. Ein aufkommendes Unwetter verdunkelt ihnen allmählich die Sicht.
Donnergrollen dringt von draußen an ihr Ohr. Ihm folgt eine Windböe, welche
unruhig am Pergament vorm Fenster rüttelt. Joan streicht die Finger aneinander
ab und erhebt sich vom Tisch mit einem Leuchter, dessen Bienenwachskerze sie an
der Fackel auf dem Gang entzündet. Als sie das Licht auf dem Tisch abstellt,
flackert dieses im Windzug und droht zu erlöschen. Um dem zuvor zu kommen
schließt Joan eilig die hölzernen Läden der beiden Fenster ihres Gemaches.
Dabei kommt sie nicht umhin, einen ängstlichen Blick auf den von dichten Wolken
verhangenen, bedrohlich dunkelgrauen Himmel zu erheischen. Grelle Lichtblitze
durchzucken ihn. „Das wird ein richtiges Unwetter“, äußert sie mit mulmigem
Gefühl. „Je höher ein Turm, desto näher beim Wetter“, murmelt sie beim Gedanken
daran, in welch luftiger Höhe sie sich befinden. Seit in ihrer Kindheit
Thornsby Castle von einem Blitz getroffen entflammte und das Dach abbrannte, fürchtet
sie Gewitter beinahe noch mehr, als ihre Albträume. Wie oft hatte sie schon von
Höhenburgen gehört, die nach einem Blitzeinschlag restlos abbrannten, da sie
den Wettergewalten schutzlos ausgesetzt waren. Insbesondere dann, wenn sie wie
Farwick Castle weithin sichtbar in besonders großer Höhe thronten.
    Blanche blickt auf. „Im
Gegensatz zu manch anderem Unheil blieb Farwick Castle angeblich seit Anbeginn
vom Blitz verschont. ... Du musst dich also nicht fürchten, denn warum sollte
es ausgerechnet heute geschehen?“
    Ihre Worte beruhigen Joan ein
wenig, so dass sie wieder auf ihrem noch angewärmten Fell Platz nimmt. „Malcom
hat heute zum Gerichtstag unter der alten Eiche versammelt. Ich hoffe, er kommt
noch trockenen Hauptes zurück“, bemerkt sie zerstreut, wobei sie noch etwas
mehr von dem Johanniskraut zwischen den Fingern zerkleinert.
    Blanche lächelt ironisch. „Du
bist um ihn besorgt?“
    Joan blickt zu Blanche auf.
Angesichts deren spöttischer Miene besinnt sie sich ihrer Worte und grinst
einsichtig. „Du findest es übertrieben.“
    Blanche kichert unter
zustimmendem Nicken. „Was soll erst werden, wenn er in die nächste Schlacht
zieht?“
    Joan vergeht das Lachen, wird
stattdessen nachdenklich. „Es muss die Hölle sein, zurückzubleiben und um ihn
zu fürchten.“
    „Oh ja, das lass dir gesagt
sein. Man ist ganz krank vor Kummer“, bestätigt ihr Blanche.
    Joan seufzt schwermütig. „Es
macht es gewiss nicht leichter, wenn man schon einmal bei einer Schlacht
zugegen war und weiß, wie es zugeht.“
    Blanche nickt ihr versonnen zu.
„Noch dazu bei einer solch vernichtenden.“
    Beide arbeiten eine Weile
schweigend weiter.
    „Es ist schon sehr
ungewöhnlich, was ihr da zusammen erlebt habt“, nimmt Blanche das Gespräch
wieder auf.
    Joan wiegt den Kopf. „Oh ja.
Wobei schon Malcom für sich gesehen sehr ungewöhnlich sein kann“, meint sie mit
versteckter Bedeutung, auf welche Blanche jedoch nicht reagiert. Joan seufzt.
„Doch hat es vermocht, uns eng aneinander zu schmieden.“
    Blanche hält inne und legt ihr
plötzlich vertraulich eine Hand auf den Arm. „Er ist

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