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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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schon jemanden geholt hat. ... Warum fragst du mich das?“ Sie
betrachtet das Gesicht der Kleinen, welche nunmehr traurig nach unten blickt.
Schwer seufzend holt Isa unter ihrem bunten Wollumhang ein kleines haariges
Bündel hervor, das sie liebevoll streichelt und Joan schließlich mit
tränengefüllten Augen in die Hände legt. Joan erkennt einen abgemagerten, toten
Hundewelpen. Mitfühlend streicht sie Isa übers Haar. „Tut mir wirklich leid,
Kleines. Du mochtest ihn wohl sehr?“
    Isa senkt den Blick. Große
Tränen kullern über ihre Wangen und tropfen auf die Holzdielen. Sie nickt.
    „Seine Mutter ist auch schon
tot. Sie war mein liebster Hund.“
    Joan hockt sich mitleidvoll zu
ihr herab und fasst sie tröstend um die Schultern. „Malcom hat so viele
Jagdhunde. Es gibt bestimmt einen, der wieder dein Herz gewinnt.“
    Isa jedoch schüttelt heftig den
Kopf. „Sie war ganz anders, als die anderen. ... Sie hat meine Worte verstanden
und gemacht, was ich wollte“, erwidert sie kläglich schniefend.
    Joan überlegt seufzend. „War es
ihr einziges Junges?“ Sie gibt ihr den toten Welpen zurück.
    Isa drückt ihn kopfschüttelnd
gegen die Brust. „Es waren vier. ... Einer lebt, glaube ich, noch. Ich höre
immer sein Fiepen aus der Höhle. Aber ich traue mich nicht hinein.“
    „Welche Höhle“, fragt Joan
verdutzt.
    „Gleich hinter dem Felsentor.“
    Nach kurzem Grübeln erhebt sich
Joan entschlossen. „Lass uns nachsehen, ob er noch lebt, einverstanden?“
    Isa blickt sie mit großen
Kinderaugen an. „Wirklich?“
    Joan nickt lächelnd, um sich
dann ihrer Truhe vorm Bett zu widmen, in welcher sie nach ihren Beinlingen
wühlt. Sie streift ihr Kleid ab und legt diese an. Eine Bruech trägt sie jetzt
immer. Zwar ist diese für Frauen unüblich, hält jedoch im Zusammenspiel mit den
Beinlingen um Vieles wärmer, als ihre Kleider. Auch wenn sie unter letzteren
knielange, wollene Beinlinge trägt, welche mit Schnüren am Bein gehalten
werden, holt man sich damit außerhalb der vor Kälte schützenden Burgmauern den
Tod. Behände schlüpft sie noch in ein wärmendes, wollenes Leibhemd, über
welches sie sich eine dicht gewalkte Tunika zieht, die sie gegürtet trägt. „Ich
hoffe, ich passe überhaupt in die Höhle hinein“, murmelt sie, indes sie die Tür
öffnet.
    Isa springt leichtfüßig an ihr
vorbei hinaus auf den Korridor und dreht sich selig lächelnd zu ihr herum. „Du
passt bestimmt durch. Heda war so ein großer, struppiger Hund“, erklärt sie,
wobei sie eine Hand über ihren Kopf streckt. Daraufhin eilt sie Joan voraus zum
Treppenturm.
    Joan runzelt die Stirn. Sie
erinnert sich an die Hündin. Das Tier war der vorletzte von Malcoms struppigen
Irischen Wolfshunden gewesen und seiner Rasse entsprechend riesengroß.
    „Mit DEM warst du befreundet“,
fragt sie ungläubig, während sie den Treppenturm hinuntereilen. „Hattest du
denn keine Angst vor ihm?“ Hinter Isa überschreitet sie die Schwelle des
Wohnturmes zum Hof.
    Die Kleine blickt ihr
verschmitzt ins Gesicht. „Manchmal bin ich sogar auf ihr geritten“, verkündet
sie mit kindlichem Stolz.
    Joan muss lachen, während sie
ihr quer über den Hof zum Felsentor folgt. In diesem tritt die Wache aus der
Torkammer heraus und blickt ihnen alarmiert entgegen, um ihnen dann den Weg zu
verstellen. Joan hebt darauf beschwichtigend die Hände. „Wir bleiben gleich
hinter dem Tor, ihr könnt beruhigt sein. Dort wird mir schon niemand
auflauern.“
    Die beiden Wachposten jedoch
tauschen besorgte Blicke. Einer der Männer tritt ihr entgegen. „Ich begleite
Euch.“
    Joan zuckt gleichgültig die
Schultern und schreitet mit Isa aus dem Tor heraus. Der junge Wachmann schließt
sich ihnen an. Isa hüpft aufgeregt an Joan vorüber, um sie gleich darauf vom
Torweg ab nach rechts zu führen. Joan folgt ihr auf einem schmalen Pfad
hinterher. Ein Blick zurück über ihre Schulter bezeugt ihr, dass ihre Eskorte
nicht schwindelfrei ist. Mit bleichem Gesicht hält der Wachmann ihren hämischen
Blicken stand. Angespannt bläst er die Luft aus und äugt zögernd über seine
linke Schulter hinweg in die steil abfallende Felsenschlucht herab.
    Isa hockt sich am Ende des
Pfades vor eine kleine Felsenhöhle. Joan schließt behände zu ihr auf. Sie kniet
sich neben Isa vor das schwarze Loch und lugt neugierig hinein. Einen
Augenblick lang lauscht sie gebannt, bis das hochtönige Gejaule eines Welpen
dumpf an ihr Ohr dringt. Er scheint sie bemerkt zu haben. Joan

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