Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
Vom Netzwerk:
atmet durch und
zwängt sich kurzerhand in den schmalen Eingang.
    „Lady Joan! Was habt Ihr vor?“
Die besorgte Stimme des Wachmannes dringt nur noch gedämpft zu ihr durch. Auf
Händen und Knien, dann gar auf den Ellenbogen vorwärts robbend, kriecht sie den
stockfinsteren, engen Gang entlang. Es stinkt entsetzlich nach Hundekot. Sie
hört nur noch das Keuchen des eigenen Atems. Der Gang erweitert sich mit einem
Male. Ganz nah vor ihr erklingt das Jaulen des Welpen. Als eine feuchte Nase
ihre Hand anstupst, fährt sie dennoch erschreckt zusammen. Sie tastet nach dem
Tier, das vor Kälte und Angst zittert. Mit sicherem Griff steckt sie es sich
einfach in den Ausschnitt ihrer Tunika. Im Bau ist es zu eng, um sich
umzudrehen, womit sie mühsam rückwärts zum Ausgang zurück kriechen muss.
    Mit wundgescheuerten Knöcheln
zieht sie den Kopf aus der Höhle heraus. Sogleich fällt ihr Isa freudig jubelnd
um den Hals. Neugierig beäugt die Kleine den Kopf des jungen Hundes, der mit
wachen Augen aus Joans Ausschnitt lugt. Der Wachmann indes reicht Joan
ungläubig dreinblickend die Hand. Sie ergreift diese und lässt sich von ihm
aufhelfen.
    „Das glaubt mir niemand“,
äußert er kopfschüttelnd, wobei er Joans verdreckte Kleidung und den Hund
mustert. „Ich hätte es doch auch tun können!“
    Joan lacht. „Du wärst stecken
geblieben.“
    „Joan, gib ihn mir“, quängelt
Isa zappelnd mit flehendem Blick.
    „Nein. Gehen wir zuvor zurück
in den Wohnturm. Hier ist es zu kalt und zu abschüssig“, bescheidet sie. „Sei
nicht so aufgeregt, du bekommst ihn ja gleich. Und gib Acht, wohin du deine
Füße setzt, Isa!“
    In der Großen Halle steht
Malcom an der riesigen Kaminöffnung. Einen Fuß hat er auf die Kaminbank
gestellt, den Unterarm aufs Knie gestützt und blickt gedankenversunken in die
lodernden Flammen. Er hält einen Schürhaken in der Hand. Als er Schritte
vernimmt, blickt er sich um. „Zum Teufel! ... Joan, was ist mit dir geschehen?“
    Bei seinem besorgten Ton schaut
Joan überrascht an ihrer verdreckten Kleidung herab. Mit vergebener Liebesmüh’
versucht sie, sich Spinngewebe vom Ärmel zu streifen und gibt es dann kichernd
auf. Voll unbeschwerter Heiterkeit blickt sie in Malcoms plötzlich überraschtes
Gesicht. Er legt den Schürhaken zum restlichen Kaminbesteck zurück und kommt
langsam auf sie zu.
    „Wir haben uns die Zeit damit
vertrieben, den kleinen Kerl hier zu retten“, erklärt sie.
    „Hast du ihn dabei durch einen
Misthaufen verfolgt?“ Nun direkt vor ihr stehend wendet er sich mit gepeinigter
Miene flüchtig von ihr ab, um der übelriechenden Duftwolke, die ihr entströmt,
wenigstens einen Augenblick lang entgehen zu können und Luft zu schöpfen.
    „Ich glaube, ich muss nachher
ein Bad nehmen“, äußert sie daraufhin gut gelaunt.
    Malcom zieht den Welpen am
Genick aus ihrem Ausschnitt hervor.
    Isa kommt an ihre Seite, wobei
sie das Tier nicht aus den Augen lässt. „Oh, ist der schön“, haucht sie
staunend und bewundert ihn verzückt.
    „Ja, das ist er wirklich“,
pflichtet ihr Joan bei, während sie dem Welpen übers dunkelgraue, struppige
Fell streicht. Eine Pfote und die Spitze der Rute sind schneeweiß.
    „Er ist eine SIE“, verbessert
Malcom. „Und ich glaubte, bis auf einen alle meiner Wolfshunde eingebüßt zu
haben“, meint er nachdenklich. Dann hält er das Tier Nase rümpfend am
ausgestreckten Arm von sich ab. „Ich fürchte, sie braucht ebenfalls ein Bad.“
Er drückt Joan das Tier wieder in die Hände. „Es wird schwer sein, sie
durchzukriegen“, gibt er zu bedenken. „Sie nimmt vorerst nur Milch und keine
meiner Hündinnen säugt zurzeit Junge.“
    „Wir werden es eben mit
Ziegenmilch versuchen“, erwidert Joan zuversichtlich. „Wie willst du sie
nennen, Isa?“
    „Heda. Wie ich ihre Mutter
schon rief“, antwortet diese ohne zu zögern. „Aber ich will sie nicht, Joan. Es
reicht mir, wenn ich dich immer besuchen darf, um sie zu sehen.“
    Es überrascht Joan. Im nächsten
Moment muss sie jedoch belustigt feststellen, dass Isas Gedanken nicht ganz so
uneigennützig sind, wie es ihr zuerst erschien.
    Malcom lacht auf. „Das ist
unsere Isabella, wie sie leibt und lebt. ... Ich glaube, du bist in nächster
Zeit gut beschäftigt, Joan.“
    Isa hat den Kopf gesenkt. „Ihr
versteht mich nicht. ... Dem anderen konnte ich überhaupt nicht helfen. Ich
will nicht noch einmal ein so schönes Tier verhungern sehen.“
    Malcom und Joan

Weitere Kostenlose Bücher