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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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verhalten auf.
„Dir entgeht wohl nichts, was?“
    Joan richtet sich
erwartungsvoll hoch.
    Er seufzt. „Ich hatte es schon
längst wieder vergessen, doch als du die Farben erwähntest ...“
    „Ja“, fragt sie drängend, als
er sich kurz unterbricht.
    Sein Blick richtet sich
geradeaus ins Leere. „Ich war noch ein Kind, als ich am Fleckfieber erkrankte.
Mein Vater brachte es aus der Schlacht mit heim. ... Es erwischte mich recht
arg und ich schwebte für ein bis zwei Tage zwischen Leben und Tod. ... An diese
Farben entsinne ich mich noch. Sie waren herrlich.“
    Joan betrachtet ihn sprachlos.
Dann nickt sie verstehend. „Sicher. In deinen Adern fließt vermutlich altes
Blut.“
    Malcom jedoch schüttelt
grüblerisch den Kopf. „Ich glaube, es ist gleich, von wem man abstammt.
Vielleicht können Viele, die das Zeitliche segnen, es sehen.“ Er nimmt sein
Schnitzzeug wieder auf, um am letzten Bein des Pferdes weiter zu arbeiten. „Ich
habe etlichen meiner Männer auf dem Schlachtfeld Beistand geleistet, wenn sie
das Leben aushauchten. Dabei raunten sie oft Seltsames, mitunter auch von
Farben.“
    Eigentümlich berührt lehnt sie
den Kopf gegen den Stein und denkt über seine Worte nach.
    Robert beobachtet das Holzpferd
und beginnt zu quengeln.
    „Kannst du sie auch heute noch
sehen?“
    „Nein, es war das einzige Mal.
Und es ist auch gut so. Für die Lebenden ist es nicht gedacht.“
    „Was macht dich so sicher? Ich
lebe doch auch und nehme sie wahr.“
    Er senkt sein Schnitzzeug und
blickt sie an. „Ich fürchte, es bringt dich noch in Teufels Küche“, entgegnet
er besorgt, woraufhin sie sich abrupt vom Stein abstößt.
    „Nein. Nicht, wenn ich es
geheim halte. ... Es muss doch einen Sinn haben, dass sie mir offenbar wurden.
Mich verfolgt der Gedanke, diese Gabe für die Heilung verwenden zu können. Zwar
weiß ich vorerst noch nicht, wie, doch ...“
    Er unterbricht sie seufzend.
„Joan, versprich mir, nichts dergleichen zu tun, bis die Angelegenheit mit
Percy geklärt ist.“ Er gibt Roberts nervraubendem Gequengel nach und überlässt
ihm das beinahe fertige Holzpferd. Der Kleine hält es mit beiden Händchen an
seinen nach oben gestreckten Armen und betrachtet es unter freudigem Jauchzen.
    Sie atmet durch und nickt
schließlich. „Also gut. Einverstanden.“

Das Maß ist voll
    „Sieh dir
das an“, ruft Joan lachend. „Er hat sich schon wieder auf den Bauch gedreht,
Blanche.“ Sie nimmt ihren Sohn hoch und lässt sich mit ihm nach hinten ins Gras
fallen. Es ist durch die warme frühmorgenliche Sonne schon vom Tau getrocknet.
    Blanche lächelt. „Er sieht ja
auch viel älter aus und hat Kraft. Wahrscheinlich läuft er noch weit vor seinem
ersten Geburtstag“, vermutet sie, bevor sie sich plötzlich mit einer Hand über
ihrem stark gewölbten Bauch stöhnend gegen die Zwingermauer in den Schatten
zurück lehnt.
    „Tritt es dich schon wieder“,
fragt Joan vergnügt, wobei sie Robert auf ihren in die Luft gestreckten
Schienbeinen reiten lässt.
    „Ich glaube, es kündigt sich
an“, antwortet Blanche scheinbar teilnahmslos, während sie Isa und Gabriel
beobachtet, die mit Heda herumtollen.
    Joan indes betrachtet sie
überrascht. „Bist du sicher?“
    Blanche nickt. „Und ich hatte
gehofft, es erst nach eurer Hochzeitsfeier zu bekommen. Es ist etwas zu früh
dran.“
    „Lass uns in den Turm gehen,
Blanche. Sonst schaffst du es vielleicht nicht mehr“, gibt Joan zu bedenken und
setzt sich aufmerksam hoch.
    Diese winkt jedoch ab. „Ich
denke, es kommt in der Nacht.“ Sie lässt ein Räuspern vernehmen. „Joan,
könntest du mir helfen, deinen Bruder auf die Welt zu bringen? Ich hätte dich
so gern dabei.“
    Joan lächelt. „Natürlich.
Gerne. Doch lass dir gesagt sein, dass ich erst zwei Entbindungen beiwohnte.
Meiner eigenen und der von Robert.“
    „Es ist einerlei“, tut Blanche
kichernd ab. „Die alte Hebamme von Farwick verstarb im letzten Winter.“
    Joan nickt verstehend. „Sag,
was lässt dich vermuten, dass es ein Knabe ist?“
    Blanche lacht. „Sieh dir doch
bloß diesen spitzen Bauch an. ... Und es ist so ein unerklärliches Gefühl. Ich
bin mir sicher, es ist ein Knabe“, beharrt sie. Dann legt sie den Kopf schräg.
„Joan, wie war es, im Wasserbecken zu entbinden?“
    Gefragte zuckt die Schultern.
„Da fehlt mir der Vergleich. Es ging jedenfalls schnell, wie Malcom erklärte.“
    Blanche setzt sich gerade hin.
„Ich will ihn auch im Wasser gebären“, verkündet

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