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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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der süßen Gebäckstücke mit einer Füllung aus Nüssen,
gedörrtem Obst und Honig. Anschließend streicht sie die vom Fett triefenden
Finger an Heda ab und nimmt einen kräftigen Schluck von ihrem Weinkelch.
    „Euren Appetit lobe ich mir“,
bemerkt Rupert ihr gegenüber grinsend. Offensichtlich hatte er sie beobachtet.
    „Sei nicht so förmlich. Ich bin
Joan.“
    Er neigt lächelnd den Kopf.
    „Und nebenbei bemerkt: wenn du
zwei lange Wochen nichts zu dir genommen hättest und den Hunger eines
nimmersatten Säuglings stillen müsstest ...“
    Rupert winkt auflachend ab.
„Ich meinte, was ich sagte. Zimperlich essende Weibsbilder sind mir ein
Gräuel.“ Mit demonstrativ gespitzten Lippen zupft er zwischen zwei Fingern
gekünstelt an seinem restlichen Hasenrücken herum, um sich die so gewonnene
Fleischfaser mit dezent abgespreiztem kleinen Finger geziert in den Mund zu
stecken. Stöhnend verdreht er die Augen und tupft sich die Lippen an einem
eingebildeten Tischtuch ab.
    Joan muss über seine Grimassen
lachen. „Du beliebst zu scherzen!“
    „Oh nein. Leider nicht. ... Sie
geben vor, das Maß zu wahren. ... Du solltest sehen, wie sie sich dann heimlich
das Essen auf ihre Gemächer kommen lassen und sich ungeniert die Bäuche
stopfen.“
    Sie wiegt lächelnd den Kopf.
„Nun, sie scheinen dir offenbar nicht greuelhaft genug, um nicht das ein oder
andere Mal heimlich in ihren Gemächern zu verweilen“, bemerkt sie scharfzüngig.
Es endet darin, dass sie sich lachend an ihrem Wein verschluckt, da er ihr eine
Antwort schuldig bleibt und stattdessen die Augen bloßgestellt gegen die Decke
der Halle richtet.
    Daraufhin betrachtet er sie
grinsend. „Ich merke, dass ich mich vor dir in Acht nehmen muss.“
    Sie fasst ihn wortlos ins Auge,
während sie verschmitzt an ihrem Weinkelch nippt.
    Malcom neben ihr ist in ein
Gespräch mit Raymond vertieft. Die Halle leert sich allmählich. Joan bemerkt
auch Gerold, der sich erhoben hat und ihren Blick erwidert. Er kommt zu ihr
herum, nimmt lächelnd neben ihr Platz und legt eine Hand auf ihre Schulter.
    „Wir sind alle erleichtert,
dass du wieder wohl auf bist, Joan. Sogar diese Raubeine hier haben für dich
gebetet.“
    „Ich danke dir. ... Aber du
scheinst dich ebenfalls gut erholt zu haben. Dein Hinken ist verschwunden.“
    Er nickt. „Deine heilenden
Hände sind nicht mit Gold aufzuwiegen.“
    „Oh, wenn du wüsstest, wie oft
ich da an mir zweifle“, meint sie versonnen. „Fiona fehlt mir. Wir konnten
einander viel geben.“
    Zu ihrer Verwunderung schüttelt
er bedächtig den Kopf. „Der Umgang mit ihr stand von Anbeginn unter keinem
guten Stern. Sie hatte den Ruf einer Hexe“, äußert er bedeutungsvoll.
    Joan zeigt ein nachsichtiges
Lächeln. „Du glaubst doch wohl diesen Unsinn nicht wirklich“, fragt sie
spöttisch.
    „Es ist ganz gleich, ob ich ihn
glaube, oder nicht. Sie war kein guter Umgang für dich.“
    Sie schnieft verdrießlich. „Oh
Gerold. Weil sie schmutzige Schürzen trug? Ihre Kenntnisse übersteigen die
meinen bei weitem. Sie weiß Dinge, von denen ich nicht einmal eine vage Ahnung
habe. ... Es ist uraltes Heilwissen, das sie in sich trägt, ihr offenbar schon
in die Wiege gelegt wurde.“
    „Mag sein“, blockt er ab.
„Trotz allem ist es besser so. Man könnte dir nachreden, Hexenwerk zu
betreiben.“
    Nun weiß sie, dass er nur um
sie besorgt ist. Seufzend betrachtet sie ihn. „Was sind das bloß für Zeiten?“
    Er lacht auf. „Solange man
einen starken Feind hat, werden die Zeiten wohl einfach nie besser.“
    Sie denkt
an Robert. „Doch, sie MÜSSEN einfach besser werden.“
    Joan steht
am Fenster, streicht versonnen über dessen mit Zickzackornamenten verzierte,
bogenförmige Umrahmung aus Haustein und blickt daraufhin in den Garten hinab.
Eine laue Windböe weht ihr das lose Haar um die Ohren, doch es stört sie nicht
im Geringsten. Begierig saugt sie die lebensschwangere Frühlingsluft ein und
lässt den Blick in die Ferne schweifen. Die ersten Sträucher blühen und die
Vögel singen in den wundervollsten Tönen. Die Bauern haben schon längst mit
ihren Pferde- oder Ochsengespannen die Erde umgepflügt und die Saat
ausgebracht. Das Grün der Wiesen ist satt und lässt die Menschen schnell die
eintönigen Farben der kalten Jahreszeit vergessen. Jäh wird sie von Roberts
Weinen aus der Versonnenheit gerissen und wendet sich seufzend ab. Agnes nimmt
den Kleinen hoch, um ihn sanft zu wiegen.
    „Er hat Hunger“, erklärt

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