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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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aufgehalten“,
erwidert der Bauer und fährt sich verstohlen über den Schafspelz auf der Brust,
einem einfachen Fell mit Schlupfloch für den Kopf, das in der Taille gegürtet
ist. An ihm klebt Blut.
    Joan weiß, was ihn aufhielt,
und legt grimmig eine Hand an den Schwertgriff.
    „Die Eichelmast dürfte dieses
Jahr besonders erfolgreich sein“, äußert Rupert, während er versucht, seinen
scheuenden Rappen ruhig zu halten.
    Der Bauer nickt. „Ist ein
Mastjahr. Die Eichen und Buchen warfen noch nie zuvor so viele Früchte ab.
Spricht für viel Schnee im kommenden Winter.“ Er mustert Joan verunsichert, da
sie ihn mit unverkennbarem Zorn anblickt.
    „Wie lange streifst du schon
hier umher? Wann hast du dich an ihr vergangen? Gestern und dann noch einmal
heute?“ Sie zieht das Schwert und sitzt ab.
    „Woher wisst Ihr ...“ Er weicht
entsetzt einen Schritt vor ihr zurück.
    Sie folgt ihm gelassen nach, um
ihm die Klinge ihres Schwertes gegen die Brust zu setzen. „Mach deinen Frieden
mit Gott. Doch fürchte ich, es wird dir nicht viel nützen, du Ausgeburt der
Hölle!“
    Er schüttelt bebend den Kopf.
„Das dürft Ihr nicht“, stottert er und fällt rücklings ins Laub, so dass seine
Schweine aufgeschreckt quiekend in alle Richtungen entfliehen. „Sie war eine
Vogelfreie.“
    Sie stürzt ihm nach und setzt
ihm das Schwert an die Kehle.
    „Joan!“ Rupert sitzt eilends
ab. Er kommt neben sie und hält sie am Schwertarm zurück. „Er hat Recht. Sie
lebte wie eine Outlaw. Freiwild für jeden, der Lust darauf hat.“ Er drückt beim
Anblick ihrer versteinerten Miene ihren Arm eindringlich zur Seite. „Joan, er
ist es nicht wert, sich die Hände zu beschmutzen“, versucht er, sie zu
beschwichtigen, worauf sie sich fuchtig von ihm los reißt.
    „Nein. Aber SIE war es wert“,
presst sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Jemand muss ihn für
seine Tat bestrafen. Er hat sie bestialisch ermordet.“
    „Sein gutes Recht“, blockt
Rupert ab und drängt sie von ihm weg. Der Bauer kommt wieder auf die Beine, um
hämisch grinsend zwei lückenhafte Reihen abgenutzter, gelblich verfärbter Zähne
zu entblößen. Joan kocht vor Wut, doch sie hat Ruperts Bärenkräften nicht das
Geringste entgegenzusetzen. Trotzdem stemmt sie sich zornig gegen ihn.
    „Lass mich ihm wenigstens eins
seiner verfluchten Augen ausstechen“, ruft sie aufgebracht, so dass dem Bauern
das Grinsen vergeht.
    „Joan, komm endlich zur
Vernunft“, ruft Rupert und stößt sie an der Schulter von sich. „Er ist
unantastbar. Das Recht ist auf seiner Seite!“
    „Er ist eine Bestie, die aus
Genugtuung Menschen zu Tode quält!“
    „Nein“, wendet Rupert ein, „nur
eine Outlaw.“
    Joan kommen die Tränen. „Du
kanntest sie nicht, Rupert. Sie war herzensgut.“
    Der Bauer treibt seine
abtrünnigen Schweine wieder zusammen. „Kann ich jetzt gehen? Mein Weg ist noch
weit.“
    Joan sendet ihm verhasste
Blicke. „Wo ist sie“, fragt sie mit Grabesstimme und beobachtet mit leidlicher
Selbstbeherrschung, wie der Mann den Mund zu einem hässlichen Lächeln verzieht.
    „Man kann es hören“, antwortet
er bedeutungsvoll und weist mit der Rute nach vorn. „Zumindest noch gestern
morgen.“
    Joan schluckt. Ihr schnürt es
die Kehle zu. „Du hast sie elend zu Grunde gehen lassen“, flüstert sie mit
bebender Stimme.
    Der Bauer zuckt teilnahmslos
die Schultern, hebt die Hand zum Gruß und wendet sich zum Gehen.
    „Wie lautet dein Name“, fragt
Joan schneidend.
    Der Bauer stutzt. Langsam dreht
er sich wieder zu ihr herum.
    „Man nennt mich Walt.“
    „Du stammst aus Farwick?“
    „Aus Engedey.“
    „Ich bin deine Herrin und werde
deinen Namen nicht vergessen. Du tust gut daran, mir aus dem Wege zu gehen und
nicht durch das kleinste Vergehen meinen Unmut zu erregen.“
    Sein Adamsapfel wandert beim
Schlucken hoch und wieder herunter. Er nickt ehrfürchtig.
    „Verschwinde, bevor ich es mir
anders überlege und mir der Dolch in eines deiner dreckigen Augen entgleitet.“
    Er fährt hastig herum, um seine
Schweine Hals über Kopf zur Eile anzutreiben.
    Joan sieht ihm noch eine Weile
verbittert nach. Dann wendet sie sich um und begegnet Ruperts abwartender
Miene. Er schüttelt missbilligend den Kopf, kehrt ihr den Rücken zu und
schwingt sich wieder auf sein Pferd. Joan tut es ihm gleich. Schweigend reiten
sie die kleine Böschung hinunter. Noch fallen ein paar schwache Sonnenstrahlen
durch die nur noch spärlich belaubten Bäume,

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