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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
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offen
an. „Also gut.“
    Dieser reicht ihm nickend die
Hand, in welche Jacob freudig einschlägt. „So sei es.“

Joans letzter
Versuch
    Joan sitzt
unter einem atemberaubenden Sternenhimmel auf der zinnenbesetzten Wehrmauer des
Wohnturmes und lässt die Beine über dem Abgrund baumeln. Seit ihrer Kindheit
ist es ihr Lieblingsplatz. Man kann den Blick ungehindert in die Ferne
schweifen lassen. Früher hatte sie hier von der weiten Welt geträumt. Heute ist
sie froh, wieder heil zurück zu sein, alle bisherigen Abenteuer sicher
überstanden zu haben.
    „Ich weiß so wenig von dir,
Joan.“
    Sie blickt zu Jacob neben ihr,
welcher im Mondlicht gegen die Brustwehr lehnt. Seit sie ihn gewaschen, rasiert
und sauber eingekleidet haben, sieht er ihrem Vater noch ähnlicher.
    Ihm ist schon schwindelig vom
bloßen Betrachten ihres luftigen Sitzplatzes. Er stöhnt. „Kannst du nicht
herunterkommen?“
    Joan lächelt und schwingt die
Beine zu ihm herum. „Besser?“
    Er nickt. „Ich bin solche Höhen
nicht gewöhnt“, erklärt er, woraufhin sie eine Weile schweigen.
    „Was willst du wissen“, fragt
sie schließlich.
    „Du liebst ihn wirklich?“ Auf
ihr wortloses Nicken hin räuspert er sich vernehmlich. „Es ist nur ... ihr
erweckt nicht eben den Eindruck.“
    „Ich weiß. Es ist eine lange,
verworrene Geschichte. ... Ich hoffe, dass wir wieder zueinander finden.“
    Er nickt. „Hättest du mir nicht
mal eine Nachricht zukommen lassen können, dass du noch lebst, es dir gut geht?
... Du glaubst nicht, was ich durchgemacht habe.“
    „Es durfte nicht sein. Man
trachtete mir nach dem Leben und sollte mich für tot halten.“
    Da sie nicht den Anschein
erweckt, sich genauer erklären zu wollen, lässt Jacob ein schwermütiges Seufzen
vernehmen. „Eines Tages wirst du mir wohl hoffentlich einmal die ganze
Geschichte erzählen.“
    „Glaube mir, ich habe oft an
dich gedacht, mich gefragt, wie es dir geht. Wie gerne hätte ich mich mit dir
ausgesprochen“, beteuert Joan.
    „Woher wusstest du, dass wir
verschwistert sind“, fragt er weiter.
    „Sarah erzählte mir auf unserem
Vermählungsfest, dass Ray einst auf ihre Hochzeitsnacht bestand. Sie wollte
mich trösten. ... Da schöpfte ich Verdacht, wusste plötzlich, warum ich nie
mehr für dich empfand, als für einen meiner Brüder.“ Sie atmet durch. „Ich
verstehe bis heute nicht, warum Sarah unserer Verbindung zustimmte.“
    Er zuckt die Schultern. „Sie
wollte es wohl einfach nicht wahrhaben. Zu groß war die Schmach. ... Aber sie
beabsichtigte, mir etwas auf dem Totenbett zu offenbaren. Nur ereilte sie der
Tod zu überraschend.“
    Sie kann kaum glauben, dass
Sarah verstorben sein soll. Es macht sie traurig.
    Er bläst die Luft aus. „Ich
habe noch einmal geheiratet, Joan.“
    Sie ist überrascht. „Wirklich?
Wen?“
    Jacob fährt sich aufgewühlt
übers Gesicht. „Ich wartete lange auf ein Lebenszeichen von dir. Dann gab ich
es schließlich auf und nahm Alice. Sie war schwanger von mir.“
    Joan stockt der Atem in
grausiger Voraussicht. „Was ist geschehen?“
    Er schüttelt den Kopf, als wenn
ihn bereits die bloße Erinnerung quälen würde. „Sie verbrannte, als sie die
Mühle mitten in der Nacht ansteckten.“
    Sie ist einen Moment lang
sprachlos vor Bestürzung. „Das ist furchtbar. Ich hatte sie wirklich lieb
gewonnen.“
    Jacob nickt. „Nicht nur du“,
erklärt er, worauf sie gedankenversunken schweigen.
    „Es ist jetzt nicht mehr von
Belang. Ich habe damit abgeschlossen, um darüber nicht den Verstand zu
verlieren“, erklärt er leise. Mit einem eigentümlichen Lächeln betrachtet er
sie daraufhin versonnen.
    Joan runzelt fragend die Stirn.
    Er wehrt mit einem
Kopfschütteln ab. „Ach nichts. Es ist nur, ... ich verspüre bei deinem Anblick
kein Herzklopfen mehr, es geht mir nicht mehr durch den Bauch. ... Du kommst
mir so eigenartig vertraut vor.“
    Ein erleichtertes Lächeln
erhellt ihr Gesicht. „Das ist gut so. Vielleicht empfindest du nichts mehr, da
du nun weißt, dass ich deine Schwester bin.“
    Er nickt kaum merklich. „Was glaubst
du: hätte mich Raymond auch aufgenommen, wenn all deine Geschwister noch am
Leben wären?“
    „Ja“, antwortet sie bestimmt.
„Mein Vater liebt alle seine Kinder. Auch die unehelichen. ... Er hatte noch
zwei davon, von einer hübschen Magd. Doch sie verstarben noch im
Kleinkindalter. Er hat bitterliche Tränen um sie vergossen.“
    Er spitzt nachdenklich den
Mund. „Ich hoffe, seinen

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