Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Holmy
Vom Netzwerk:
Anforderungen gerecht zu werden“, äußert er, was ihm
ein ungläubiges Auflachen von ihr einbringt.
    „Seit wann quälen dich
Selbstzweifel?“
    Jacob stöhnt. „Seit mich dieses
verfluchte Leben gezeichnet hat. ... Ich habe ganz schön Federn gelassen,
Joan.“
    Sie nickt verständnisvoll. „Er
wird dich an alles heranführen. ... Er mag dich. Du bist sein Ältester und
derjenige, welcher ihm nicht nur äußerlich am ähnlichsten ist.“
    „Ich weiß nicht, ob ich für
dieses Leben hier geschaffen bin. ... Ich bin mit Leib und Seele Müller.“
    Sie lacht. „Du hast noch nicht
verinnerlicht, dass du auch zur Hälfte ein Thornsby bist. Die geben nie auf.
... Allerdings sollten wir dir wenigstens die Schwertführung beibringen, damit
man es dir auch abnimmt.“
    Jacob lacht auf. „Dafür bin ich
zu alt. Ich verspüre nicht die geringste Lust, mich von einem halbwüchsigen
Knappen verhauen zu lassen.“
    Sie
kichert. „Dann wirst du eben mit mir Vorlieb nehmen müssen.“
    „Ich
gedenke, noch diesen Monat einen Gerichtstag abzuhalten“, lässt Raymond an
Jacob gewandt verlautbaren und beißt herzhaft in eine kalte Gänsekeule. „Du
wirst es heute in Thornsby bekannt geben.“ Er winkt eine Magd heran, dass sie
ihm Cidre einschenkt. „Dann soll der Reeve noch heute mit seinen Aufzeichnungen
erscheinen. Ich will wissen, wie genau es um meine Bauern steht.“
    „Denkbar schlecht“, erwidert
Jacob, während er nachdenklich die an zwei Tafeln schmausende Gesellschaft
mustert. „Du solltest mit mir reiten, um dir ein Bild zu machen.“
    Raymond betrachtet ihn
verdutzt. Dann scheint er seinen Vorschlag abzuwägen und zuckt die Schultern.
„Ja, warum nicht.“
    „Ich komme mit euch“, äußert
Joan. „Ich möchte bei Dorrit vorbeisehen.“
    Malcom blickt beunruhigt zu ihr
herüber, mischt sich jedoch nicht ein.
    „Mal, ich will fünf Ritter in
meine Dienste nehmen. Könntest du deine guten Beziehungen für deinen alten
Schwiegervater spielen lassen?“ ...
    Joan spürt Jacobs Blick und wendet
sich ihm fragend zu.
    „Wie kannst du nur so leben?“
    „Wie denn“, fragt sie verdutzt.
    „So unbeschwert und
verschwenderisch, während eure Untertanen hungers sterben.“ Verächtlich gibt er
einem noch mit kaltem Braten belegten Tablett einen groben Stoß, dass es von
ihm weg schlittert. „Dein Essen ist den Tränen anderer abgerungen. Du hast zwei
Jahre unter ihnen gelebt, Joan!“
    „Du vergisst, dass ich so
aufgewachsen bin. ... Diese Standeseinteilung ist gottgewollt.“
    Er schnaubt ungehalten. „Daran
würden dir erhebliche Zweifel kommen, wenn dir nicht das Glück eine Geburt auf
der Sonnenseite beschieden hätte. Scheinbar hast du alles vergessen.“
    „Nein, das sicher nicht. ...
Und falls es in der Tat so arg um sie steht, wie du es beschreibst, werde ich
mich dafür einsetzen, sie zu unterstützen.“
    Er nickt etwas beschwichtigt.
    Joan kann sich ein Lächeln
nicht verkneifen. „Auch du wirst noch merken, dass dir hier nicht immer die
Sonne scheint. ... Spätestens dann, wenn du für deinen König in die Schlacht
ziehst und dein Leben für dein Land und eben diese Untertanen aufs Spiel
setzt.“ Sie leert ihren Becher mit Cidre. „Zwar muss man sich in Adelskreisen
keine Gedanken darüber machen, ob man morgen etwas zu beißen hat. Doch man
trägt die Verantwortung über seine Bauern. Muss Entscheidungen für sie treffen
und über sie richten. ... Du wirst dich sicher erinnern, dass Vater immer mit
dem Herzen dabei war. Sie können sich keinen besseren Herrn wünschen.“
    „Ja“, gibt er knurrend zu.
    Sie legt ihm vertraulich eine
Hand auf den Arm. „Lerne, auch mit unseren Augen zu sehen. So dienst du beiden
Seiten am besten.“
    Auf sein bedächtiges Nicken hin
knufft sie ihm übermütig die Schulter, so dass er fragend aufsieht. „Wenn dich
Vater heute Abend entbehren kann, solltest du dich auf deine erste Fechtlektion
gefasst machen.“
    „Ist das wirklich dein Ernst“,
fragt er ungläubig.
    „Oh ja.“
    „Aber du bist doch schwanger.
Ist es nicht zu gefährlich?“
    Sie grinst. „Bis du dir ein
echtes Schwert verdient hast, habe ich vermutlich längst entbunden. Vorerst wirst
du mit Holzspielzeug Vorlieb nehmen müssen.“ Auf sein gequältes Stöhnen hin
lacht sie hell auf. Doch sie wird von plötzlich lautem Gegröle übertönt. Es ist
ihrem Sohn gezollt. Robert steht neben seiner Amme auf der Bank und presst das
Hinterteil seines Holzpferdchens gegen seinen Schritt, um

Weitere Kostenlose Bücher