Die rote Farbe des Schnees
immer wieder
rhythmisch dagegen zu stoßen. Er sonnt sich quietschvergnügt in der
Aufmerksamkeit, die ihm insbesondere von Malcoms rauer Ritterschar zuteil wird.
Doch jene schenken Agnes neben ihm mit einem Male ein noch größeres Interesse.
Denn diese sitzt stocksteif da. Ihr ist der Bissen im Munde stecken geblieben.
Man bedenkt ihr schamesrot angelaufenes Gesicht mit heiserem Lachen und
anzüglichen Rufen.
Joan indes ist nicht zum
Lachen. Ärgerlich blickt sie in die fröhliche Runde, in der bereits gerätselt
wird, wer der Glückliche an Agnes Seite wohl sein könnte. Fuchtig stellt sie
ihren leeren Becher auf die Tafel. Denn das Letzte, was man sich von der Amme
seiner Kinder wünschen kann, ist, dass sich diese einen Liebhaber hält. Wenn
sie geschwängert wird, kann sie ihrer Hauptaufgabe, dem Stillen nämlich, nicht
mehr nachkommen. Joan mustert die Männer einen nach dem anderen mit dem zweiten
Blick. Und schließlich bleib dieser an Rupert direkt neben ihr haften. Denn ihn
umgeben haargenau dieselben verräterischen Farben, wie Agnes.
Angesichts Joans grimmiger
Miene erstirbt Ruperts versonnenes Grinsen. Seine Miene wechselt zuerst in eine
unschuldige, dann in eine ungläubige. Zuletzt spricht pures Erschrecken aus
ihr.
„Ich kann es nicht fassen“,
zischt Joan ihn an. „Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?!“
„Nichts“, erwidert er mit
leiser Resignation.
Seine klägliche Miene kann sie
nicht besänftigen. Sie schnappt Luft für eine saftige Standpauke.
Rupert jedoch legt eindringlich
einen Finger gegen seinen Mund und räuspert sich vernehmlich. „Ich hab’ was gut
bei dir, Joan“, erinnert er sie raunend.
Ihr bleibt die Luft weg.
„Ob du es glaubst oder nicht,
Agnes bedeutet mir viel“, fährt er leise fort.
„Seit wann“, brüskiert sie
sich.
Rupert jedoch betrachtet sie
mit untypischem Ernst, bevor er den Blick verstohlen in der Runde
umherschweifen und dann auf der unglücklichen Agnes ruhen lässt. „Länger, als
du für gut befinden kannst.“
Joan vermag ihre Wut nur mühsam
zu zäumen. „Das kann ich unmöglich dulden, Rupert!“
Dieser hebt abwehrend die
Hände, um diese dann unter ihren wütenden Blicken betreten zurück auf die Tafel
sinken zu lassen. Doch seine Haltung strafft sich und er schüttelt beharrend
den Kopf. „Du stehst in meiner Schuld. Lass uns zu einer gütlichen Einigung
kommen.“
Sie bläst verächtlich die Luft
zwischen ihren Zähnen hervor.
„Komm uns nur ein Stück
entgegen, Joan“, bittet er daraufhin verzagt.
Dass er
auch in Agnes Namen spricht, nimmt ihr den Wind aus den Segeln. Es lässt sie
hilflos durchatmen. „Also gut“, willigt sie schließlich nachgiebig ein, auch
wenn sie sich eine Übereinkunft noch schwerlich vorstellen kann. „Aber es ist
zum letzten Mal!“
Ulman
betrachtet sie traurig. „Wie lange willst du noch warten, um dich mit Malcom zu
versöhnen? ... Bis er mit deinen Kindern fort zieht? Dein Sohn wird dann ein
Bastard sein, ... wie ich.“ Er wendet sich um. Joan folgt seinem Blick die
Wehrmauer des Wohnturmes hinab. Sie erkennt den Pfad, der in Serpentinen zur
Burg hochführt. Ein beachtlicher Trupp Berittener bewegt sich auf ihm von
Thornsby Castle, und somit von ihr, weg. Das jämmerliche Weinen zweier Kinder
dringt an ihr Ohr. Agnes versucht vergebens, sie zu beruhigen. Sie blicken zu
Joan herauf und strecken ihr schluchzend die Ärmchen entgegen.
Joan erwacht schweißgebadet und
setzt sich auf. Sie hat Robert geweckt, vermutlich durch einen Schrei.
Beruhigend streicht sie dem weinenden Kleinen übers Haar und singt ihn zurück
in den Schlaf. Nur gut, dass Leander bei Agnes ruht, die ihn ja noch stillt.
Sonst hätte sie jetzt mit beiden zu tun. Als Robert endlich wieder
eingeschlummert ist, lehnt sie sich versonnen gegen das Bettgestell und lässt
ihren Gedanken freien Lauf. Inständig hofft sie, dass dieser Traum nicht
Wirklichkeit wird, so, wie damals jener erste Traum von Ulman. Sie fasst den
Entschluss, einen letzten Versuch zu unternehmen, um Malcom von ihrer Unschuld
zu überzeugen. Nicht nur der Kinder wegen, sondern auch, um ihre einst gute Ehe
zu retten.
Joan atmet durch. Ein dunkler
Traum, der einen schwarzen Tag beendet. Nie werden sie wohl diese elenden
Bilder wieder loslassen, welche sie im Dorf empfingen. Ausgezehrte Kreaturen,
die nur noch kraftlos dahinwankten, welche sie kaum wiederzuerkennen vermochte.
Kinder mit aufgedunsenen Hungerbäuchen, die sie mit übergroß wirkenden
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