Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
Vom Netzwerk:
dass DeeDees Neckereien bei ihm nicht
recht zu greifen schienen.
    Â»Das heißt, heute würdest du uns nicht mehr der Reihe nach
durchnehmen? Wir hätten da zum Beispiel einen Krüppel, einen alten Irren und
eine dicke Mama anzubieten. Wie wär’s?«
    Â»DeeDee!« Janina machte sich von DeeDee los, wich zurück und starrte
Dave entschuldigend und angstvoll an. Wenn er es jetzt nicht kapierte, dass
auch Janina zum Kreis seiner ehemaligen Gespielen gehörte, dann würde er es nie
begreifen.
    DeeDee krümmte sich vor Lachen. »Ich mach doch nur Spaß.«
    Dave verzog immer noch keine Miene.
    Â»Du könntest mir die schönsten Zicken auf dem Silbertablett
servieren, und ich würde sie nicht anrühren. Aber wenn ich eine Hässliche finde,
mit der ich auf einer Wellenlänge bin, würde ich vielleicht noch einmal einen
Versuch wagen. Von Schönheiten habe ich in diesem Leben wahrscheinlich die Nase
voll.« Dann hob er sein Glas. »Auf die wahre Liebe,
DeeDee.«
    Â»Ahhh, das hast du aber schön gesagt, Liebster. Da könnte ich glatt
noch mal schwach werden.«
    DeeDee trank, hauchte Dave einen Kuss auf die Wange und gurrte wie
eine Taube in der Balzzeit.
    Janina war verwirrt. Merkte DeeDee nicht, dass Dave ihr gerade klipp
und klar gesagt hatte: Mit dir bin ich nicht auf
einer Wellenlänge? Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Seine Worte klangen
aufrichtig. Anbetungswürdig. Dave klang wie eine Kontaktannonce, die exakt auf
sie zugeschnitten war.
    DeeDee zwinkerte. »Aber mit Ende dreißig besteht immer noch ein
gewisses Restrisiko. Das wäre nichts für mich, die alleinerziehende Mutter zu
spielen. Fürchte ich. Ich muss dich leider abblitzen lassen, Dave.«
    Janina pochte das Blut in den Schläfen, und ihr war plötzlich übel.
Vielleicht hätte sie zu ihrem Sekt endlich mal etwas essen müssen.
    Â»Oder wie ist das, so alleinerziehend, Janina?«
    Â»Ich muss los«, sagte sie. »Ich habe noch … wegen der Probe.«
    DeeDee würde schon einen andern Blöden finden, der ihr ihren Kram
hinterherräumte.
    Als Janina Richtung Flughafen ging, fühlte es sich an, als ob sie
durch Sirup schwamm, jede Bewegung gegen einen Widerstand, gegen eine Kraft,
die sie zu Dave hinzog.
    War sie mit ihm auf einer Wellenlänge? Würde sie es ertragen, von
ihm geliebt zu werden, wenn sie sich selbst nicht lieben konnte?
    Janina rechnete sich aus, dass sie etwa zwei Stunden hatte, bis Dave
und DeeDee kamen, um sich von ihr in ihre Probenkostüme helfen zu lassen. Zwei
Stunden, in denen sie sich hinter Näharbeiten verstecken konnte.
    Janina nahm sich eine Hose mit runtergetretenem Saum vor,
stichelte mit transparentem Faden die Kante wieder fest. Ihre Augen brannten
von der Anstrengung und vom Schlafmangel, aber sie weigerte sich, die Konzentration
zu lockern. Sie wollte nicht mehr denken.
    Nicht, wenn das bedeutete, an Dave zu denken und ihn wieder zu
wollen. Ich bin niemals über ihn hinweggekommen, dachte sie, als sie die Augen
das erste Mal schließen musste, nur für einen Moment, damit sie wieder klar
sehen konnte.
    Sie lauschte dem Verkehr vor dem Fenster, vereinzelten Vogelstimmen,
teppichgedämpften Schritten auf dem Gang.
    Ein Adrenalinstoß fuhr durch ihre Adern, als ein deutliches Räuspern
sich vor die zarten Geräusche schob, in die sie sich vertieft hatte. Sie riss
den Kopf in die Höhe und die Augen auf.
    Die Hose lag nicht mehr auf ihrem Schoß, sondern vor ihr auf dem
Boden. Sie war in einem Schwebezustand zwischen Wachen und Schlafen gewesen und
sie hatte das Gefühl, geschnarcht zu haben, denn ihre Kehle fühlte sich rau und
trocken an.
    Vor ihr stand Dave. Ständig stand er plötzlich vor oder neben ihr,
als ob er sie verfolgte.
    Â»Oh, ah?«, brachte sie hervor.
    Â»Ich wollte dir nur sagen, ich glaube nicht, dass ich heute das
Kostüm brauche. Ich glaube nicht, dass wir heute noch eine richtige Probe
bekommen.«
    Janina fand langsam wieder in den Wachzustand zurück. Daves Worte
waren alarmierend.
    Â»Ist etwas passiert?«
    Â»Nichts Dramatisches. Joe hat nur zu viel getrunken.«
    Nichts Dramatisches. Das klang, als würde Dave ebenso darauf warten,
wie sie selbst, dass er endgültig abtrat.
    Â»Warum tut er das?«, fragte sie leise.
    Â»Ich glaube, er hat die Kontrolle verloren«, erwiderte Dave.
»Insgesamt, meine ich. Er ist nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher