Die rote Halle
Ausnahme.«
Die Tür hinter ihnen fiel langsam zu und drückte frische Luft in den
Gang, in dem ein seltsam muffiger, süÃer Geruch hing, der Janina die Vorfreude
auf die Erdbeeren verdarb. Der Hausmeister blieb stehen, blähte die
Nasenflügel.
»Kommt, wir müssen uns beeilen«, sagte DeeDee. »Sonst ist nachher
nichts fertig.«
Der Hausmeister schloss eine Glastür auf, hinter der es in die
Flugzeughalle hinunterging. Er sperrte sie weit auf und sicherte sie mit einem
Holzkeil, um Frischluft reinzulassen. Unter dem Dach der Flughalle war es
angenehm kühl, beinahe kalt, und es roch nach Metall und Chemikalien, ein
sauberer Geruch, den Janina tief einatmete.
Von hier aus dem Schatten heraus gesehen war das Flugfeld in der
prallen Sonne blendend hell. Die Luft flimmerte über dem spärlichen Rasen, und
die Jogger, die Skater, die Kinder mit den Drachen und Federballspielen
verschwammen zu wabernden Schemen.
DeeDee stieà ein hohes Lachen aus, und Janina wartete leicht gereizt
darauf, dass sie wieder kleinmädchenhaft in die Hände klatschte.
»Ist das nicht toll? Kommen Sie auch mit feiern?«, fragte sie den
Hausmeister.
Der schüttelte den Kopf. »Nee, ich hab noch zu tun. Aber ich lasse
auf, dann könnse später wieder hier rein.«
»Danke«, sagte sie, und der Hausmeister drückte Janina den Griff des
Einkaufsrollers in die Hand, winkte und verschwand wieder im Flughafen. Janina
kam sich vor wie ein Packesel.
»Puh, das ist aber weit«, meinte DeeDee und deutete auf eine kleine
Erhebung in dem ansonsten flachen Gelände. Dort stakten einige Bäume in den
knallblauen Himmel, ein kleiner Hügel war dort, und ein einzelnes, rotes
Propellerflugzeug stand aufgebockt wie der Wächter eines Hügelgrabs. DeeDees
Stimme war immer noch unnatürlich hoch.
»Das ist so zauberhaft da drüben«, schwärmte sie. »Sonnenflecken,
Halbschatten, Blumen. Ich habe es gestern schon ausgeguckt.«
Zauberhaft. Janina blies die Backen auf. Sie konnte sich nicht
erinnern, dieses Wort selbst schon einmal benutzt oder auch nur gedacht zu
haben. Woran lag es eigentlich, dass DeeDee sie zu nerven begann, sobald sie
den Mund aufmachte? Sie war nett, hilfsbereit, zugänglich. Aber alles an ihr
wirkte irgendwie übermäÃig intensiv und eindringlich. DeeDee war anstrengend.
Nach zwei Stunden mit ihr war Janina erschöpft. Und die Party hatte noch nicht
einmal begonnen.
»Wissen die anderen denn, wo sie hinmüssen?«, fragte Janina.
»Ich habe einen Lageplan ans Brett gehängt.«
Gemeinsam liefen sie über das Rollfeld, dann quer über die Wiese,
rechts zog eine S-Bahn am Horizont vorbei und das Brummen und der Benzingestank
von drei Modellflugzeugen, die wie in einem alten Kriegsfilm umeinander trudelten,
erfüllten die Luft.
Janina wünschte sich, DeeDee würde nicht so aufreizend langsam ihr
Humpeln zelebrieren, damit sie die immer schwerer werdenden Gewichte an ihren
Armen endlich loswurde. AuÃerdem rutschte ihre Lieblingsjeans seit ein paar
Tagen, und sie hatte keine Hand frei, um sie wieder hochzuziehen.
Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich bei dem
baumbestandenen Hügel ankamen, musste Janina allerdings zugeben, dass
zauberhaft vielleicht der richtige Ausdruck war. Die Wiese war hier nicht spitz
und trocken, sondern saftig, die Sonne warf goldene Flecken ins Gras, die Modellflugzeuge
waren nicht mehr zu hören, sondern nur noch eine ferne, malerische Verzierung
am Sommerhimmel, der Radarturm leuchtete weiÃ, und der monumentale Flughafen
selbst war von hier aus nicht mehr als ein schmales, steinernes Band, welches
das Rollfeld umfasste.
»Schön hier«, sagte Janina und half DeeDee, die Tücher auszubreiten.
Die Erdbeeren kamen in die Mitte. Dann zog DeeDee ein Brett aus dem
Einkaufsroller und richtete Sektkelche aus Plastik darauf an. Die SpieÃe und
Brötchen drapierten sie auf Papptellern, und zuletzt lief DeeDee zwischen den
Bäumen herum und stellte einen kleinen Strauà aus Gänseblümchen und Taubnesseln
zusammen, den sie albern kichernd in einen Kelch mit Sekt steckte.
»Saufnesseln«, sagte sie, und Janina rang sich ein Grinsen ab.
Immerhin war es DeeDees Geburtstag.
Sie schenkte Janina und sich selbst Sekt ein, und sie stieÃen
miteinander an.
»Alles Gute«, sagte Janina.
Sie wollte hinzufügen »auf dich und diesen Tag«, aber sie
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