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Die rote Halle

Die rote Halle

Titel: Die rote Halle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Schmidt
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sie
wahrscheinlich hochrot im Gesicht war und die dünnen Haare ihr nass an der
Stirn klebten, und sie stellte fest, dass es ihr egal war. Es spielte keine
Rolle mehr.
    Eine Treppe führte in den Keller hinab, die Stufen waren mit weißen
Punktlichtern beleuchtet, wie eine Sternenspur, die Janina den Weg zeigte. Zu ihrem
Star. Janina schüttelte den Gedanken ab, indem sie die Schultern hochzog, sie
wieder fallen ließ. Das hier war nicht romantisch. Definitiv nicht. Trotzdem
überkam sie eine gewisse Aufregung. Seit jener Nacht, in der sie es Dave das
erste Mal hatte sagen wollen, war so viel Zeit vergangen.
    Damals war ihre Aufregung voller Angst, aber auch voller Vorfreude
gewesen. Angst und Freude rufen dieselben physiologischen Reaktionen hervor,
das wusste sie von den vielen Gelegenheiten, bei denen sie Bühnenmenschen mit
Lampenfieber beobachtet hatte. Rötung der Haut, Beschleunigung von Atmung und
Herzschlag, ein flaues Gefühl oder Kribbeln in der Magengrube. Bühnenleute
mussten lernen, ihre Angst zu genießen, sie als Freude zu interpretieren.
    Aber Janina war niemals auf eine Bühne hinausgetreten, sie wusste
nicht, wie man Angst in Freude verwandelte. Sie empfand außer Angst nur eine
untergründige, zitternde Wut, kaum zu bändigen.
    Es war, als würde nach diesen vielen Jahren etwas in ihr erwachen,
ein Tier, das sie mithilfe von sehr viel Essen in Tiefschlaf gehalten hatte.
Die Verletzung, die Enttäuschung, das Verlassensein. Die unerwiderte Liebe.
Alles totgefressen.
    Doch seit sie Dave wiedergesehen hatte, hatte sie kaum noch essen
können, und seit Simon weg war, gar nicht mehr, ihre Hosen begannen zu
rutschen, ohne dass sie sich darüber freuen konnte.
    Die zweite Tür am unteren Ende der Treppe führte in die
verräucherte, unterirdische Höhle der Starbar. Als Janina sie öffnete, spürte
sie einen Mordshunger in sich, eine Bestie, die erwacht war und gefüttert
werden wollte. Sie glitt mit schnellen, gezielten Bewegungen durch die Räume
der Bar und suchte ihre Beute.
    Dave saß auf einem weißen Ledersofa, einen Arm lässig über der
Rückenlehne, die Finger nur Zentimeter weit von HahNis weißer Haut entfernt.
Sie trug ein schwarzes, trägerloses Top, das ihren tanzgestählten Körper
bestens zur Geltung brachte, das glänzend schwarze Haar lag wie gebügelt auf
ihren Schultern. Das verstand Dave also unter einem hässlichen Mädchen auf seiner
Wellenlänge.
    HahNi blickte unter dem exakt geschnittenen Pony hervor direkt in
Janinas Augen, als sie mit festen Schritten näherkam, zog an ihrer Zigarette,
paffte den Rauch aus und stieß Dave an.
    Gib dir keine Mühe, Mädchen, dachte Janina. Es ist schon zu spät für
ihn. Janina stand vor ihm.
    Â»Ich will allein mit dir sprechen«, sagte sie, ohne HahNi eines
weiteren Blickes zu würdigen.
    HahNi warf Dave einen zweifelnden Seitenblick zu, sah dann wieder
Janina an, beinahe mitleidig. Ja, das kannst du dir nicht vorstellen, dass so
eine wie ich mit so einem wie Dave was unter vier Augen zu besprechen hat,
oder?
    Â»Lässt du uns einen Moment allein, HahNi?«, sagte Dave.
    Janina lächelte grimmig.
    Â»Du kannst sie auch gleich ganz nach Hause schicken, du wirst hinterher
wahrscheinlich sowieso keine Lust mehr auf einen Gutenachtfick haben.«
    HahNi stand mit einem Ruck auf. Ihr Top entpuppte sich als
Minikleid, das sie erst nach unten fummeln musste, bevor sie auf ihren
silbernen Highheels davonstöckeln konnte. Sie hatte sich ziemlich viel Mühe
gegeben für Dave. Wenigstens waren die Schuhe nicht rot. Und sie konnte darin
perfekt laufen. So wie sie aussah und sich bewegte, hätte sie ein Filmstar sein
können. Eine Mischung aus Lucy Liu und David Bowies China Girl. Oder let’s dance. Put on
your red shoes and dance the Blues. Ja,
das beschrieb das ganze Desaster hier ziemlich gut. Eigentlich müsste HahNi das
Mädchen tanzen. Sie hatte die richtige Energie dafür. Und das Können.
    Â»Was gibt es denn so Wichtiges, dass du mir den Abend versauen
musst?«, fragte Dave lässig.
    Janina merkte, dass sie HaHNi nachglotzte. Wenn sie ehrlich war,
wirklich ehrlich, musste sie dann zugeben, dass sie neidisch auf HahNi war? Auf
ihr Aussehen, darauf, dass sie mit Dave ausging? Janina schüttelte den Kopf.
Nein, das war es nicht. Aber sie würde schon noch draufkommen, wie sie sich
fühlte. Es war ein so

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