Die Rote Spur Des Zorns
enthielt – Oh! Clare stieß sie wieder zu. Die Magazine dort drin wollte sie gar nicht sehen, geschweige denn das, was zwischen deren Seiten stecken könnte. Sei nicht so dumm, dachte sie. Vielleicht ist das ja gerade das der Trick! So wie wenn eine Frau ihren Schmuck in einer Tamponschachtel versteckt. Sie nickte. Das machte Sinn. Sie zog die Schublade wieder auf, fasste kompromisshalber jedes der Magazine am Heftfalz und schüttelte es kräftig. Nichts. Nicht einmal eine von diesen lästigen Parfüm-oder Abowerbungen, die oft zwischen den Seiten steckten. Wahrscheinlich war es gesetzeswidrig, solche Sachen mit der staatlichen Post zu verschicken; daher auch keine Abos. Sie legte die Hefte in die Schublade zurück und versuchte, die Titelfotos nicht allzu lange anzusehen.
Leicht schwindlig stand sie auf, schob den Stuhl wieder unter den Tisch und stolperte, als ihre Absätze sich in dem tiefen Teppich verfingen. Dabei kam ihr zum ersten Mal der Gedanke, sie sei für ihre Aufgabe vielleicht nicht mehr in der richtigen Verfassung. Wie viele Kir royals hatte sie von diesen herumwandernden Tabletts genommen? Sie versuchte zurückzurechnen. Vier? Fünf? Egal. Jetzt war es sowieso zu spät. Jetzt hieß es: Zähne zusammenbeißen und durch. Und davon verstand sie ja etwas, als ausgebildete Soldatin. Was nun?
Das Nachtschränkchen. Es hatte nur eine einzige flache Schublade, die voller Fotos, einem Reisepass und einem zerlesenen Restaurantführer war. Mit ungeschickten Fingern sah Clare die Bilder durch, um eines zu finden, das Malcolm und Ingraham zusammen zeigte, aber es waren durchweg alte Fotos: Frauen mit Papilloten-Dauerwelle und geblümten Kleidern, hemdsärmelige Männer beim Angeln.
Unter dieser Schublade war ein Fach, das weitere Taschenbücher enthielt – eine Reihe von Romanen nach dem Computerspiel »Dungeons and Dragons«. Pfui Teufel. Clare kniete sich hin, legte sich dann flach auf den Bauch, um unter das Bett zu schauen. Auf der Seite, wo sie lag, war nicht einmal eine Wollmaus. Aber auf der anderen … Es sah aus wie eine Reihe schwarzer Rechtecke – vielleicht Koffer oder schmale Kästen. Sehr vielversprechend.
Clare rappelte sich wieder auf, umrundete in ihren hochhackigen Sandalen das Bett und kniete sich erneut hin. Sie balancierte gerade auf einer Hand, um an einem Griff zu zerren, den sie nicht sah, da hörte sie schwache Schritte von der Treppe. Und Stimmen.
Sie stieß den Koffer an seinen Platz zurück und sprang blitzschnell auf. Wo konnte sie sich verstecken? Wo, wo, wo? Mit einem Handschlag schaltete sie das Licht im Wandschrank aus und verharrte einen Moment mucksmäuschenstill. Sie zitterte, fühlte ein heißes Prickeln auf ihrer Haut und ballte die Fäuste so fest zusammen, dass sich ihre kurz geschnittenen Nägel in die Handflächen bohrten. Denk nach. Denknachdenknachdenknach. Unterm Bett? Zu offensichtlich. Im Schrank? Dort konnte sie sich höchstens hinter den Anzügen verstecken. Es brauchte nur jemand im Zimmer Licht zu machen und einen Blick hineinzuwerfen, dann sähe er in der Lücke zwischen Malcolms Jacketts und dem Schuhständer sofort ihre Beine.
Die Flurbeleuchtung ging an. Clare hörte ein undeutliches Gemurmel von Männerstimmen, die sich näherten. Hastig warf sie einen Blick nach hinten und entdeckte, dass die Vorhänge noch zugezogen waren. Sie sprang zu dem ersten, riss ihn auf und lief dann zum nächsten, wobei sie fast über den kleinen Stuhl vor dem Schreibtisch gestolpert wäre.
Der dicke Plüschteppich im Flur dämpfte alle Schritte. Nur eine maulende Stimme und eine andere, die knapp antwortete, waren zu hören. Clare blieb eine einzige Hoffnung: das Badezimmer. Sie stürzte hinein und machte die Tür hinter sich zu. Als sie den Raum betreten hatte, war die Tür doch geschlossen gewesen, oder? Sie konnte sich nicht erinnern. Das Licht, das durch das offene Fenster drang, umriss den Sockel eines Waschbeckens, eine Toilette und eine Duschkabine. Wenn sie Malcolm wäre und pinkeln müsste, dachte Clare, würde sie dann unten Schlange stehen, wenn sie hier eine Privattoilette hatte? Ihr Hals schnürte sich zusammen, und in ihren Ohren rauschte es.
Sie sind Pilotin, verdammt, knurrte »Hardball« Wright direkt neben ihr. Wissen Sie, wie man Piloten nennt, die in Panik geraten? Tot! Sie hielt die Luft an – ein scharfes Japsen – und verbannte gnadenlos alles aus ihrem Kopf, bis auf das aktuelle Problem. Sie könnte sich hinter dem Duschvorhang verstecken. Die
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