Die Rote Spur Des Zorns
ihre ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf das Gespräch.
»Okay, er ist tot. Na und? Er war im Park auf Aufriss, obwohl in dieser Stadt schon zwei Schwule zusammengeschlagen wurden. Er hat’s nicht anders gewollt.«
Die Stimme des Unbekannten war kaum mehr als ein Flüstern. »Sie können doch nicht – das kann doch nicht alles gewesen sein!«
»Haben Sie einen Beweis für die Sache?«
»Nein, natürlich nicht. Und ich will auch gar keinen. Ich will lediglich die Gewissheit, dass ich nicht zum Verhör einbestellt werde.«
In der Pause zwischen den Songs ertönte ein schwaches Knarren, als hätte sich einer von ihnen aufs Bett gesetzt. »Nun, im Fall eines Verhörs haben Sie ja nichts zu erzählen, oder?«
»Wie können Sie so etwas sagen? Ich stecke bis zum Hals mit drin in der Sache und habe den Eindruck, ich soll als Sündenbock herhalten, falls – großer Gott! Was, zum Teufel, ist das?« Die Stimme des Mannes war eine Oktave höher geschnellt.
»Wie? Haben Sie so was noch nie gesehen? Das ist eine fünfhundertfünfziger Lugar. Hässliches kleines Ding, wie?« Clare hörte über dem Klang der Musik das Einrasten der Revolverkammer, konnte aber nicht sagen, ob die Waffe geladen war.
»Ich will keinen Ärger«, sagte der andere mit dünner, brüchiger Stimme.
»Das weiß ich, hey. Sie sind ein Mannschaftsspieler. Sie glauben doch nicht, ich hätte das Ding rausgeholt, um Ihnen zu drohen? Nie im Leben, Mensch. Ich wollte Ihnen nur zeigen, was sonst noch hier drin ist.«
Clare legte ganz langsam, ganz sachte ihre Sandalen auf den Boden der Duschkabine. Es dauerte nicht einmal drei Sekunden, dann wäre sie aus der Dusche heraus, hätte die Tür zum Zimmer aufgerisssen und sich auf Malcolm gestürzt, schätzte sie. Blieb nur zu hoffen, dass Malcolm ein redseliger Typ war und mit dem anderen Mann Katz und Maus spielte, bevor er ihn tatsächlich erschoss. In diesem Fall hätte sie genug Zeit für ihr Manöver. Wie ein Pilot, der die Instrumentenanzeigen liest, stellte sie an ihrem Pulsschlag fest, dass die Aussicht, sich einer geladenen Kanone entgegenzuwerfen, ihren Körper wirklich und wahrhaftig entspannt hatte. Das besagte wahrscheinlich etwas Schreckliches über ihre Vorlieben und ihre Eignung fürs Priesteramt, aber was, diese Frage konnte sie im Moment nicht beantworten.
»Heiliger Strohsack! Ist das hier das, wofür ich es halte?«
»Haben Sie es etwa nie ausprobiert, in der Schule?«
»Das Zeug muss ja ein Vermögen wert sein. Was machen Sie mit so einem Riesenvorrat?«
»Ich bin jetzt selbstständiger Unternehmer. Schon komisch. Da hält mich meine Cousine Diana für einen hoffnungslosen Faulenzer, dabei stamme ich genauso vom alten Eustace Landry ab wie sie. Muss wohl in der Familie liegen, was? Schade, dass es nicht möglich ist, die anderen meinen Geschäftsbericht bewundern zu lassen.«
»Weiß Ihre Tante Bescheid?«
»Lassen Sie meine Tante aus dem Spiel.« Malcolms Stimme klang ruhig und kalt. »Ich an Ihrer Stelle würde ihr nicht mal zu nahe kommen. Nie.«
»Soll das eine Drohung sein?«
»Verstehen Sie’s als Warnung.« Ein Rascheln ertönte, und danach ein dumpfer Schlag. Clare im Innern der Duschkabine verspannte sich. »Da.« Malcolms Stimme klang jetzt entschieden wärmer. »Nehmen Sie das als Zugabe. Es gehört Ihnen.«
»Machen Sie Witze? Was soll ich denn damit anfangen? ’ne Party schmeißen?«
»Verkaufen Sie’s. Dieses hübsch versiegelte Päckchen ist auf dem freien Markt etwa zehntausend Dollar wert. Und die können Sie doch gebrauchen, oder?«
»Kommt nicht in Frage. Wenn ich damit erwischt werde, kann ich mich darauf freuen, die nächsten zehn Jahre Freundin irgendeines Typen in Attica zu sein. Hören Sie, ich habe mich wirklich nicht wegen des Geldes darauf eingelassen.«
Malcolm lachte.
»Na ja, nicht in diesem Sinne. Ich dachte, es würde niemandem viel passieren. Man hat mir versichert –«
»Ich weiß, was man Ihnen gesagt hat. Und ich weiß, wohinter Sie her sind. Oder glauben Sie, nicht?« Seine Stimme wurde süß, verführerisch. »Ich sag Ihnen was. Sie nehmen jetzt das da, als Sicherheit, und ich fädele einen Deal ein. Das Geld geht wiederum an Sie. Dann können Sie in Texas, Alaska oder sonstwo untertauchen, bis über die Sache mit Bill Gras gewachsen ist.«
»Was sollte Sie daran hindern, die Bullen zu rufen und mich hochnehmen zu lassen, sobald ich aus dem Haus bin? Mit so viel Stoff würde ich bestimmt als Dealer verurteilt.«
Malcolm
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