Die Rote Spur Des Zorns
Hugh.«
»Reverend?« Hugh traten die Augen aus dem Kopf.
»Oh, sagen Sie nicht, man hätte Sie nicht miteinander bekannt gemacht. Hugh, das ist Reverend Clare Fergusson von unserer Pfarrkirche, St. Alban’s. Und Clare, das ist Hugh Parteger, der Vizepräsident von Barkley and Eaton Capital.«
»Sie sind eine Geistliche?«
Clare lächelte schwach und nickte. »Ich habe Ihnen ja gesagt, ich sei keine Journalistin.«
»Worüber haben Sie sich hier eigentlich unterhalten? Na, egal. Reverend Clare, ich möchte Ihnen gern ein sehr nettes Ehepaar vorstellen. Carys Großonkel und Großtante. Sie sind gerade von einer längeren Reise ins Heilige Land zurückgekommen, und bestimmt würden Sie liebend gern etwas darüber erfahren.«
»Ah.« Clare versuchte ein interessiertes Gesicht aufzusetzen – Hughs Blick nach zu urteilen wohl ohne großen Erfolg.
»Und Hugh«, fuhr Peggy fort, »mischen Sie sich doch ein bisschen unter die Leute, ja? Ich verlasse mich darauf, dass Sie ein paar Damen ohne Begleitung mit Ihrem hinreißenden Charme bezirzen. Und dass Sie sich später nicht still und heimlich aus dem Staub machen! Ich möchte mit Ihnen über einen Termin für dieses Finanzierungsangebot sprechen. John Opperman fliegt morgen Nachmittag nach Baltimore und kommt erst am Dienstag wieder zurück. Also los, ab mit Ihnen! Und nur unverheiratete Frauen, wenn ich bitten darf.«
Sie wedelte mit den Händen, um die beiden zum Aufstehen und zur Teilnahme an der allgemeinen Unterhaltung zu bewegen. Clare fand, Hugh habe alles in allem die dankbarere Aufgabe. Na, wenigstens konnte dieses ältere Ehepaar sie hier nicht mit einer Diavorführung strapazieren.
»Wir sprechen uns später, Hochwürden«, sagte Hugh halblaut, als sie das geräumige Wohnzimmer betraten. »Ich glaube, Sie schulden mir eine kleine Erklärung.« Und damit entfernte er sich in Richtung des nächstbesten Frauengrüppchens.
»Was war eigentlich los mit Ihnen beiden?«, fragte Peggy, während sie Clare in eine Ecke des Raumes führte. »Ah, da sind ja die Woods, alles schon fix und fertig parat.«
Beim Anblick des gut siebzigjährigen Paares, das vor einem aufgeklappten Laptop saß, wurde Clare auch von der letzten Hoffnung verlassen.
»Sie müssen die Pastorin sein, von der Peggy uns erzählt hat«, sagte die kleine alte Dame liebenswürdig. »Holen Sie sich einen Stuhl, dann kann die Powerpoint-Vorführung losgehen!«
23
C lare stellte fest, dass eine Fotoshow über das Heilige Land auch in cocktail-benebeltem Zustand nicht besser wurde. Einerseits wirkte das Ganze einschläfernd monoton, andererseits – wenn sie nicht gerade dagegen ankämpfte, ihr Kinn auf die Brust sinken zu lassen – konnte sie nicht umhin, einen Blick auf die Gesellschaft jenseits der kleinen Runde zu werfen, die das Ehepaar Wood und sie selbst auf ihren Stühlen bildeten. Die große Balkontür am Ende des Zimmers stand weit offen, und Paare tanzten draußen auf der Veranda. Am Kopf der Treppe erschienen und verschwanden immer wieder Leute, die sie noch nicht gesehen hatte: Mädchen in knappen Kostümen und mit nackten Beinen, junge Männer in lässigen Hosen und mit geöffnetem Hemdkragen. Durch die Musik hörte sie schallendes Gelächter aus der Bibliothek dringen. Es war wie in einem Albtraum, wo man keine Ahnung hat, was man tun soll, aber Tüchtigkeit und Kompetenz vorschützen muss, während die Kollegen überall ringsum auf den Tischen tanzen.
»Und in der folgenden Bilderserie ist Cyrus wirklich nah rangegangen, um den fantastischen Detailreichtum dieser Mosaike zu zeigen. Schatz, könntest du es vielleicht besser zentrieren? Ich habe schon zu Betty gesagt – Betty war nämlich in dieser Kirche dabei –, man spürt förmlich in jeder Fliese die innere Hingabe. Oh, sehen Sie, da wurden gerade Ausbesserungsarbeiten gemacht. Cyrus, hast du eine gute Aufnahme von diesem Eimer mit Mörtel?«
Gott, betete Clare, wenn du mich liebst, dann hol mich hier raus.
»Onkel Cyrus! Tante Helen! Wir möchten gern ein paar Fotos knipsen.« Sie blickten in Carys fröhliches Gesicht.
Alle Menschen haben einen Schutzengel. Clare lächelte den jungen Mann mit so unverhohlener Freude an, dass er beinahe erschrak. »Reverend Clare? Möchten Sie gerne mit aufs Bild?«
»Ehrlich gesagt«, antwortete sie, »müsste ich eher einmal auf die Toilette.« Sie stand auf. »Bis später.« Bei der Trauung, fügte sie im Geiste hinzu. So schnell es ihre hohen Absätze erlaubten, marschierte sie ans
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