Die Rote Spur Des Zorns
schüttete, die vor der Wand aufgereiht standen.
»Die beiden sind sehr wohlerzogen«, sagte Stephen stirnrunzelnd zu seinem Partner. Er packte jeden der Bernhardiner am Halsband und führte sie Richtung Flur, ohne ihr Gewinsel und den sehnsüchtigen Blick zu beachten, den sie auf das Futter warfen. »Sie finden bestimmt mühelos jemanden, der sie bei sich aufnimmt. Oder lassen Sie sie im Haus von Paul und Emil. Irgendwer kann ja ein Mal am Tag vorbeischauen, um ihnen Futter und frisches Wasser zu geben.« Clare hob einen Finger und setzte bereits zum Sprechen an, doch Stephen fiel ihr ins Wort. »Aber wir nicht. Leider. Wir haben jetzt Hochsaison. Bestimmt kann das jemand anders tun.«
Einer guten Tat folgt die Strafe auf dem Fuß. Clares Großmutter liebte diesen Spruch. Mit einem gezwungenen Lächeln folgte Clare Stephen und den Bernhardinern auf die Veranda. »War wirklich nett, Sie kennen zu lernen, Reverend Fergusson«, rief Ron ihnen nach – mit der Betonung auf »Sie«. Stephen ließ die Hunde los, sie galoppierten zu Clares Wagen und sprangen auf ihre Plätze, wobei sie sichtbare Kratzer im Lack hinterließen.
»Sehen Sie?«, sagte Stephen. »Gute Hunde.«
Die Veranda knarrte unter dem Gewicht von Russ’ Schritten. Er blieb neben Clare stehen und gab Stephen die Hand. »Wir werden Ihr Haus im Auge behalten«, sagte er. »Wenn Ihnen irgendetwas auffällt, das Sie beunruhigt – ganz egal, was –, dann wählen Sie den Polizeinotruf.«
Stephen nickte. »Verlassen Sie sich darauf.« Er nahm Clares Hand in die seine. »Besuchen Sie uns mal wieder, Reverend Fergusson. Und bringen Sie die Hunde mit.«
Clare und Russ stapften stumm die Verandatreppe hinab. Am Wagen angekommen, hielt Clare inne. Stephen Obrowski war ins Haus verschwunden, und Russ lehnte an der Fahrerseite seines Streifenwagens, eine Hand in dem offenen Fenster. Aus seiner Tasche zog er ein Paar Sonnenschutzgläser, die er auf seine Brille steckte. Sie verliehen ihm eine Aura gesichtsloser Autorität wie bei den Gesetzeshütern in den Filmen seit »Der Unbeugsame«. Obwohl es nur Sonnengläser waren, mit denen er aussah wie ein Tourist in den besten Jahren, wurde Clare schon wieder wütend. Sie öffnete ihren Mund, doch Russ kam ihr zuvor.
»Ehe Sie wieder damit anfangen, wie schief ich gewickelt und wie unsensibel ich bin, möchte ich Ihnen sagen, dass ich weiß, wo Sie diese zwei Ungetüme unterbringen können.« Er klappte die Sonnenschutzgläser hoch, als wäre es ein Miniatur-Visier, und die Tirade, die Clare auf der Zunge lag, verwandelte sich in ein Lachen. Er nahm seine Brille ab, um sie zu begutachten. »Scharf, was?« Er wackelte mit dem Aufsatz. »Eine Gleitsicht-Sonnenbrille wird von meiner Kasse leider nicht bezahlt, also habe ich mir diese hier bei Rexall gekauft. Sechs Dollar.«
»Danach sieht sie auch aus.« Clare warf einen Blick auf die Hunde, die die Zunge heraushängen ließen und hechelten. »Na schön, überredet! Wo kann ich diese niedlichen Schoßhündchen abgeben? Im Bezirksgefängnis? Bei Ihnen daheim?«
»Nein, tut mir leid. Linda hat für Haustiere nichts übrig. Wir bringen sie zu meiner Mutter.«
Clare schaute erneut auf die Hunde. Sie hatte bei der Bürgerversammlung zwar nicht viel von Russ’ Mutter gesehen, aber dass Gal und Bob mindestens fünfunddreißig Kilo schwerer waren als Mrs. Van Alstyne, darauf hätte sie gewettet. »Meinen Sie wirklich?« Bob schüttelte den Kopf, sodass Sabber quer über die Windschutzscheibe spritzte. »Wären die bei irgendeinem großen, kräftigen Kerl namens Bill nicht besser aufgehoben?«
»Verlassen Sie sich darauf: Meine Mutter ist ein großer, kräftiger Kerl namens Bill!« Er setzte die Brille wieder auf und klappte die Sonnengläser herunter. »Fahren Sie mir nach.«
»Das bedeutet vermutlich, ich muss mich an das vorgeschriebene Tempo halten?«
Er grinste.
Sie fuhren zurück über den Fluss und auf der Old Route 100 nach Norden, in die Gegenrichtung von Millers Kill. Die Bäume drängten sich an den Rand der kurvenreichen Landstraße, die den Berg so hoch hinaufführte, dass sich auf Clares Ohren ein unangenehmer Druck legte. Tolle Gegend zum Joggen, dachte sie – ein langer, harter Lauf im Schatten der Bäume, fast ungestört vom Verkehr; aber natürlich auch weit weg von der Welt, wenn man sich hier den Knöchel verstauchte. Nicht einmal einen Feldweg oder einen Briefkasten gab es, der auf eine menschliche Behausung deutete, und langsam, aber sicher glaubte
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