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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Führerscheinfoto ungefähr ähnlich. Bisschen schwer zu bestimmen«, antwortete Lyle.
    »Wie’s eben so ist, wenn man zwei Tage eingeschlossen in einem heißen Zelt liegt«, fügte Dr. Scheeler hinzu. Sein sarkastischer Tonfall erinnerte Russ an Emil Dvorak. Vielleicht war das typisch für Pathologen.
    »Warten Sie erst mal ab, was wir mitgebracht haben!«, sagte MacAuley. Russ sah den »Fleischkarren« um die Ecke des nächsten Flugzeugschuppens zu dem Hubschrauber fahren, der jetzt stumm und starr dastand. »Kevin, Mark«, brüllte MacAuley, »ihr nehmt die Tüten von der Spurensicherung mit. Wir treffen uns bei den Wagen.« Die beiden jungen Beamten liefen zurück und wichen den zwei Angestellten des Leichenschauhauses aus, die einen schwarz glänzenden Sack aus dem Bauch der Maschine zogen.
    Bleib von diesem Ungetüm weg, dachte Russ.
    Er machte auf dem Absatz kehrt, sodass Lyle und Dr. Scheeler sich beeilen mussten, um mit ihm Schritt zu halten. »Warum erzählen Sie mir nicht alles?«, sagte er. »Von Anfang an.« Er wusste, dass er heute Nachmittag hätte dabei sein sollen. Hätte er sich überwunden, mit allen anderen in den Hubschrauber zu steigen und rüberzufliegen, dann bräuchte er jetzt keinen zweistimmigen Kurzbericht von Lyle und dem Pathologen. Lyle betrachtete ihn unter seinen buschigen Augenbrauen hervor, verkniff sich aber jede Bemerkung darüber, dass Russ so unvermittelt kehrtmachte. Sie marschierten auf die Polizeiwagen zu, die hinter dem Maschendrahtzaun des »North Country Luftfahrt-Hangar« geparkt waren. »Wir konnten etwa eine halbe Meile von der Stelle entfernt landen. Das Professoren-Ehepaar aus Cornell, das die Leiche gefunden hat, führte uns hin. Ziemlich abgelegener Flecken. Hätte nicht ein Schwarm Vögel die Aufmerksamkeit der beiden erregt, dann hätte er vielleicht noch viel länger dort gelegen.«
    »Haben Sie die Aussagen protokolliert?«
    »Ja. Etwas besonders Hilfreiches hatten sie nicht zu erzählen. Waren ganz schön fertig, wie Sie sich vorstellen können.«
    Ja, das konnte er.
    »Wir haben ihnen angeboten, sie zurückzufliegen«, fuhr Lyle fort, »aber sie wollten weiter marschieren. Ich habe ein paar Kontaktnummern, falls Sie persönlich mit ihnen reden möchten.«
    »Wie sah sie denn aus, diese Fundstelle?«
    »Allem Anschein nach ist Dessaint gewandert und hat sein Lager dort aufgeschlagen. Er verstand offenbar was davon. Seine Ausrüstung war erste Sahne, auch wenn sie ein paar Jährchen auf dem Buckel hatte. Er trug leichtes Wandergepäck: Ein-Mann-Zelt, Schlafsack, bisschen frische Unterwäsche. Aber Proviant hatte er massenhaft – dieses teure neumodische Trockenzeug. Und dazu zwei Röhrchen Desinfektionstabletten für Wasser.«
    »Ob er in den Bergen untertauchen wollte?«
    »Wäre nicht der Erste.«
    MacAuley hatte Recht. Unzählige Menschen waren in den Adirondack State Park gewandert und nie wieder zum Vorschein gekommen, ob absichtlich oder nicht. Ein erfahrener Camper mit genügend Wasser und Proviant konnte dort im Sommer lange untertauchen, und vielleicht hatte Dessaint ja abwarten wollen, bis die Wogen sich glätteten. Oder er hatte vor, auf der schmalen Route 30 durch den Millionen-Hektar-Park zu wandern und dann per Anhalter über die kanadische Grenze zu fahren. Die Adirondacks waren eine Wildnis, aber durchsetzt mit Ortschaften, Zeltlagerplätzen und menschlichen Behausungen.
    »Hatte er Geld dabei?«
    »Knapp über dreihundert Dollar.«
    Russ schnaubte. »Nicht viel, um ein neues Leben anzufangen. Selbst bei dem kanadischen Wechselkurs.«
    MacAuley zuckte mit den Schultern. »Außerdem hatte er noch so vier-, fünfhundert Dollar in Drogen – Meth, Koks und genug OxyContin, um eine von diesen riesigen Vitaminflaschen zu füllen.«
    Sie gelangten an den Maschendrahtzaun und wurden von den Schatten der Flugzeughalle verschluckt, als sie durch das Tor auf den Parkplatz traten. Russ schloss seinen Wagen auf, sodass der Schein der Innenbeleuchtung auf den rauen Asphalt vor ihren Füßen fiel. »Also, was war die Todesursache, Doktor?«
    »Ich kann mich natürlich weder auf eine toxikologische Untersuchung noch auf eine Obduktion stützen. Aber als erste Einschätzung würde ich sagen, eine Überdosis hat ihn ins Jenseits entführt.« Mit einem Druck auf den Fernbedienungsschlüssel entriegelte Scheeler sein Fahrzeug. Russ hörte ein gedämpftes Klicken. »Ausgehend von der Nadel in seinem Arm und dem Injektionsbesteck, das neben ihm auf dem Zeltboden

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