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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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ihr schnell warm, und der Rest würde an ihrem Körper trocknen. Durch ihre dünnen Ledersohlen spürte sie jeden Stein. Jetzt hätte sie gerne auch solche derben Schuhe gehabt, wie Alexander sie trug.
    Er hielt sein Versprechen.
    »Es fing alles mit Onkel Heinrich an«, begann er, noch bevor Lina nachfragen konnte. »Er war der ältere Bruder meines Vaters und so etwas wie das schwarze Schaf in der Familie, weil er nicht unbedingt das tat, was alle von ihm erwarteten. Mit ihm habe ich mich schon immer besser verstanden als mit meinem Vater.«
    Nach den ersten stockenden Sätzen sprudelte es richtiggehend aus ihm heraus. Sein Onkel hatte schon vor Jahren dem Rheinland den Rücken gekehrt und war nach Northampton in England ausgewandert. Als Kartograf und Landvermesser hatte er es dort recht bald zu einem bescheidenen Ansehen gebracht.
    Alexander zog es ebenfalls in die Ferne. Sobald er ein wenig Geld zusammen- und die Erlaubnis seines Vaters hatte, folgte er seinem Onkel nach England und lernte von ihm die ersten Grundlagen der Kartografie. Aber dort blieben sie nicht lange. Schon bald ergab sich für sie die Möglichkeit, mit einem der ersten Auswandererschiffe nach Neuseeland zu reisen. Dort hatte die englische Krone eine neue Kolonie eröffnet, und man suchte Leute, die das Land vermessen und Karten anfertigen konnten.
    Sie waren bei den ersten Auswanderern, die im Februar 1842 in Nelson ankamen. Der Ort, den die ansässigen Maori Whakatu nannten, war kurz zuvor gegründet worden. Zelte, Hütten und erste Häuser wuchsen aus dem Boden, es herrschte Goldgräberstimmung. Schon bald stellten sie fest, dass sie in diesem Flecken Erde am Rande der Welt tatsächlich ein kleines Paradies gefunden hatten. Heinrichs begeisterte Briefe an seinen Bruder in Deutschland bewogen schließlich auch Rudolf Treban, mit dem Rest der Familie die Reise nach Neuseeland anzutreten.
    Für die Bewohner des schnell wachsenden Ortes gab es allerdings ein Problem, wie sich bald herausstellte: Eingekeilt zwischen Meer und Bergen, fehlte es in Nelson an brauchbarem Land. Neuer Boden musste her.
    Vor wenigen Jahren war ein Vertrag zwischen Siedlern und Maori geschlossen worden, der die Maori zu britischen Bürgern machte und ihre Ansprüche an ihrem Land sichern sollte. Dazu hatten die meisten Weißen allerdings eine klare Meinung: Wer Grund und Boden nutze und bebaue, habe auch ein Recht darauf. So dachten auch Heinrich und sein Neffe. Die Maori dagegen ließen ihr Land zum größten Teil ungenutzt. Also erwarben die Siedler Land von ihnen. Die Eingeborenen mussten schließlich zutiefst dankbar sein für die Segnungen der Zivilisation, die sie im Austausch bekamen: Waffen, Decken und europäische Kleidung.
    Anfangs hatten die ansässigen Stämme den weißen Siedlern gerne Land verkauft, aber jetzt, da immer mehr Weiße kamen, weigerten sich manche von ihnen, noch mehr zu verkaufen. Vor allem ein Maori-Häuptling widersetzte sich. Er legte Feuer, stahl Sachen und schürte Angst unter den Siedlern.
    »Es war ein Missverständnis«, sagte Alexander. »Aber das habe ich auch erst später verstanden. Ich dachte lange, wir wären im Recht. Aber manche der Häuptlinge konnten überhaupt nicht lesen, was sie da unterzeichnet hatten. Sie dachten, die Weißen hätten vereinbart, das Land nur zeitlich begrenzt zu nutzen. Nur für ein paar Monate, wie eine Art Miete oder Pacht. Für sie war es nicht verkauft worden. Sie verstanden nur, dass die Weißen ihnen ihr Land wegnehmen wollten.«
    Im Juni 1843 – Alexander war siebzehn Jahre alt und seit fast eineinhalb Jahren in Neuseeland – stellte Arthur Wakefield, der Gründer von Nelson, eine Expedition zusammen. Angeführt von Wakefield selbst, brachen an die fünfzig Landvermesser und Arbeiter auf, die die fruchtbare Wairau-Ebene vermessen und den uneinsichtigen Häuptling festnehmen sollten. Heinrich und Alexander waren mit von der Partie.
    Der Weg war mühselig. Die Gruppe musste tagelang durch dichte Wälder und schlammige Buschpfade marschieren, bis sie endlich die große, grasige Ebene von Wairau erreichte. Dort stieß sie auf den gesuchten Häuptling und seinen Stamm.
    Aber der Häuptling dachte nicht daran, sich festnehmen zu lassen. Die Maori hatten in den vergangenen Jahren viele Gewehre von den Weißen gekauft; jetzt kam es zu einem erbitterten Streit zwischen den beiden Gruppen. Alexander konnte nicht sagen, wer den ersten Schuss abfeuerte, aber schon bald brach die Hölle los. Auf beiden

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