Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman
schon mal einen Heiratsantrag gemacht.« In wenigen Sätzen erzählte sie ihm von ihrer Angst, die Trebans verlassen zu müssen, und von ihrem verzweifelten Entschluss, als sie Rudolf mitten in der Nacht aufgesucht hatte.
Alexander blieb weiterhin stumm, doch er hatte sich auf einen Ellbogen gestützt und sah sie über das nur noch leise schwelende Feuer hinweg an. Dann ließ er sich wieder sinken. Regentropfen trafen leise auf das Schilfdach, ein kleines Rinnsal lief die Wand hinunter.
»Hast du denn gar nichts dazu zu sagen?«, fragte sie schließlich, als ihr die Stille unerträglich wurde.
Er räusperte sich leise. »Wieso hast du mir das nicht schon früher erzählt?«
»Das wollte ich ja. Aber … aber das hätte doch auch nichts geändert. Und du warst so … so abweisend.«
»Jetzt bin ich also daran schuld?«
»Nein, natürlich nicht!« Himmel, er war aber auch schnell beleidigt …
»Wir haben so oft gestritten, mein Vater und ich«, sagte Alexander dann unvermittelt. »Auch das letzte Mal, als ich mit ihm gesprochen habe.«
»Ich bin mir sicher, er wusste, dass du es nicht so gemeint hast.«
»Was hat er gesagt, bevor er …« Alexander beendete den Satz nicht, aber Lina wusste auch so, was er meinte.
Es fiel ihr schwer, sich genau daran zu erinnern. Und es tat weh. Die Ereignisse jener schrecklichen Nacht lagen nur wenige Tage zurück, aber ihr kam es vor wie Wochen oder Monate.
»Er war müde.« Ihre Worte kamen stockend. »Aber er war nett zu mir. Er sagte, er wolle versuchen, mir ein guter Ehemann zu sein, auch wenn … auch wenn ich ihn nicht lieben würde.« Die letzten Worte hatte sie nur noch geflüstert.
»Wirklich?« Alexanders Stimme klang plötzlich irgendwie anders. Als wäre er erkältet.
»Ja. Und dann … seine Füße taten ihm weh. Ich wollte ihm gerade helfen, seine Schuhe auszuziehen, als er … plötzlich umgefallen ist. Direkt auf mich. ›Hilf mir!‹, hat er noch gestammelt. Ich … ich habe ihn noch mal geschüttelt, aber er hat nichts mehr gesagt. Und dann bin ich rausgerannt, um Hilfe zu holen.«
Alexander sagte nichts, aber sie glaubte zu hören, wie er ganz leise die Nase hochzog.
»Es tut mir sehr leid«, murmelte sie schließlich.
Das Feuer war fast erloschen. Lina lag auf dem Rücken und sah dem dünnen Rauchfaden nach, der zur Decke aufstieg. Bis auf das leise Rauschen des Regens und das Knistern des ersterbenden Feuers war nichts zu hören.
Sie lauschte. Schlief Alexander schon?
Sie selbst war viel zu aufgewühlt, um schlafen zu können. Die Sorge um Rieke und Julius hielt sie wach, und auch die Erinnerung an Rudolfs Tod setzte ihr zu. Außerdem war ihr kalt. Sehr kalt. Sie rollte sich unter ihrer Decke zusammen und bemühte sich, keinen Laut von sich zu geben, auch wenn sie vor Kälte zitterte.
»Was ist los?«, fragte Alexander. Er schlief also auch noch nicht.
»Ich friere.« Sie konnte gerade noch verhindern, dass ihre Zähne vor lauter Zittern aufeinanderschlugen.
»Ich auch«, sagte Alexander. »Stört es dich, wenn wir uns zusammen unter die Decken legen? Dann ist es wärmer.«
»Was?«
»War ja nur eine Frage«, gab er zurück. »Ich fass dich schon nicht an.«
»Nein, nein, so war das doch nicht gemeint … Ich war nur so … überrascht. Es stört mich nicht.« Natürlich nicht, hätte sie fast gerufen. Ganz im Gegenteil! »Und es ist eine gute Idee.« Hoffentlich war er jetzt nicht wieder eingeschnappt.
Offenbar war er es nicht. Vielleicht überwog auch nur die Vernunft. Jedenfalls stand er auf, breitete seine Decke über ihrer aus und kroch dann tatsächlich neben sie.
»Besser?«
Sie nickte. »Viel besser.«
»Na dann. Gute Nacht.«
Lina wagte kaum zu atmen. Ihr war plötzlich ganz warm und in ihrem Magen flatterte ein kleiner Schmetterling. Nein, gleich ein ganzer Schwarm.
Jetzt war ihr zwar nicht mehr kalt, doch schlafen konnte sie trotzdem nicht. Aber das machte nichts. Mit offenen Augen lauschte sie auf Alexanders leisen Atem neben sich, der schnell tiefer wurde und schließlich in ein kleines, süßes Schnarchen überging.
Er schlief. Er schlief tatsächlich hier, direkt neben ihr. Lina lag ganz still da, bemühte sich, nur ganz oberflächlich zu atmen, um ihn nicht zu stören, und lächelte glücklich in die Dunkelheit.
Am Morgen hatte der Regen aufgehört. Nebel trieb in Schwaden über dem Fluss, ein paar einsame Enten zogen ihre Bahn auf dem Wasser. Wie gestern schon begnügte Lina sich mit einer Katzenwäsche; um sich
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