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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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neben ihnen und trug ihre Sachen, die sie noch schnell von ihrem Lagerplatz geholt hatten. Lina wäre gern noch länger allein mit ihm gewesen, aber das war natürlich nicht möglich. Zumindest erfuhr sie, wie der Maori zu ihnen gestoßen war. Nachdem Te Raukura gehört hatte, dass Alexander zwei pakeha -Kinder suchte, hatte er sich selbst auf die Suche gemacht. Und sie gefunden.
    »Wo?«, wollte Lina wissen.
    »Nicht weit«, war alles, was der Maori dazu sagte. »Wir haben sie bald eingeholt. Siehst du?« Er wies auf abgeknickte Zweige vor ihnen und den Abdruck eines Schuhs in der schlammigen Erde. »Das ist noch ganz frisch.«
    Immerhin wusste sie jetzt, warum Rieke und Julius fortgelaufen waren.
    »Du hast wirklich Gold gefunden?«, fragte sie Alexander, als sie es vor Neugier nicht mehr aushielt.
    Er nickte. »Als ich einmal alleine auf der Jagd war. Ich musste nur die Hand danach ausstrecken. Sie lagen im Uferwasser und glitzerten in der Sonne. Mehrere Nuggets, in unterschiedlichen Größen.«
    »Aber …« Sie verstummte, weil sie nicht wusste, wie sie es ausdrücken sollte.
    Alexander hob den Blick. »Ich weiß genau, was du jetzt sagen willst.«
    »Ach ja? Was denn?«
    »Wieso ich nicht an dieselbe Stelle gehe und schaue, ob ich nicht noch mehr Gold finde. Wieso ich damit nicht unsere Schulden bei Seip bezahle. Wieso ich mich so anstelle. Wolltest du das fragen?«
    Sie nickte ertappt. »So in etwa.«
    »Gut, dann antworte ich mit einer Gegenfrage. Hast du schon einmal vom ›Pfad der Tränen‹ gehört?«
    Lina schüttelte den Kopf. »Was ist das?«
    »In Georgia in den Vereinigten Staaten von Amerika haben sie vor einigen Jahren Gold gefunden«, erklärte Alexander. »Auf Land, das den Cherokee-Indianern gehörte. Daraufhin brach ein Goldrausch aus. Hunderte, nein Tausende von weißen Goldsuchern kamen nach Georgia, jeden Monat wurden es mehr. Aus Deutschland, aus England, aus der ganzen Welt. Sie errichteten Städte, durchwühlten die Erde auf der Suche nach Reichtümern – alles auf Cherokee-Land. Sie überschwemmten es geradezu. Das ging natürlich nicht lange gut. Die Indianer versuchten, sich zu wehren. Ohne Erfolg.« Er schüttelte den Kopf. »Man hat sie gezwungen, ihr Land zu verlassen. Nicht nur die Cherokee, auch noch ein paar andere Indianerstämme. Ganze Stämme, stell dir das mal vor! Das waren viele Tausend Menschen. Sie mussten ihre Heimat im Osten der Vereinigten Staaten verlassen, um viele, viele Meilen weiter westlich angesiedelt zu werden. Dort, wo sie niemanden störten. Auf diesem Weg starben mehrere Tausend von ihnen.«
    »Mehrere Tausend?«, wiederholte Lina bestürzt.
    Er nickte. »An Krankheiten, Kälte, Hunger und Erschöpfung. Deshalb nennt man ihn den ›Pfad der Tränen‹.«
    »Mein Vater wollte auch immer nach Amerika auswandern«, murmelte sie. Sie blickte auf Te Raukuras breiten Rücken unter sich, der schweigend voranstapfte. Was er wohl über all diese Sachen dachte? »Woher weißt du das alles?«
    Alexander hob die Schultern. »Ich lese viel.« Lina erinnerte sich an den Bücherstapel, den sie an seinem Schlafplatz im Geräteschuppen gesehen hatte.
    »Es ist immer dasselbe«, fuhr er düster fort. »Sobald die Weißen wissen, dass es irgendwo Gold gibt, werden sie zu Bestien. Das Land wird zerstört, die Einheimischen vertrieben oder getötet.« Er seufzte. »Und das Gleiche würde auch hier passieren. Deswegen habe ich nichts von dem Gold gesagt. Und das werde ich auch weiterhin nicht. Es war schon ein großer Fehler, Julius davon zu erzählen, auch wenn er mir versprechen musste, mit niemandem darüber zu reden. Und ein noch größerer, meinem Vater etwas davon zu geben. Aber ich konnte doch nicht wissen, dass er damit gleich zu diesem verdammten Seip rennt, um seine Schulden zu bezahlen.« Er blickte zu ihr auf. »Verstehst du jetzt, warum ich dir nichts davon erzählt habe?«
    »Weil du mir nicht vertraut hast.«
    »Nein! Na ja, das heißt, nicht nur. Es war auch, um dich zu schützen. Was du nicht weißt, kann dich auch nicht in Gefahr bringen.«
    Lina nickte. Dann schoss ihr ein neuer Gedanke durch den Kopf. »Aber Seip glaubt, dass ich es weiß«, sagte sie.
    »Um Seip«, sagte Alexander, »kümmern wir uns nach unserer Rückkehr. Jetzt habe ich erst mal ein ernstes Wörtchen mit meinem Bruder zu reden.«
    Am späten Vormittag kamen sie durch einen noch dichteren Wald. Durch eine Lücke in den Baumkronen konnte Lina einen Vogelschwarm sehen, der in großer Höhe

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