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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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bis hinauf in ihre Hüfte, es fühlte sich an, als ob sich ein Dutzend glühender Nadeln in sie bohren würde. Te Raukura hielt mit der Linken ihren Unterschenkel und bog mit der Rechten langsam ihren Fuß nach unten. Immer weiter.
    Dann, mit einem satten, schmatzenden Geräusch, das ihr durch und durch ging, glitt der Knöchel wieder an seinen richtigen Platz. Augenblicklich ließ auch der Schmerz nach, auch wenn er noch immer da war. Lina seufzte auf.
    »Du kannst mich jetzt loslassen«, sagte Alexander neben ihr. Er grinste. »Du musst aber nicht.«
    »Was?« Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie sich mit beiden Händen an ihn geklammert hatte. Sie ließ ihn los und wischte sich verstohlen die Tränen aus den Augen.
    »Nicht weglaufen«, sagte der Maori und erhob sich. »Ich suche Pflanzen.« Und schon war er zwischen dem Farn verschwunden.
    Alexander musterte sie besorgt. »Tut es noch sehr weh?«
    »Es geht schon«, behauptete Lina, obwohl ihr Fuß sich anfühlte wie ein einziger matschiger Klumpen.
    »Wenn ich mich doch nur zweiteilen könnte!«, schimpfte er. »Dann würde ich diesen verdammten Seip suchen und zur Rede stellen. Und gleichzeitig würde ich mich um Julius und deine Schwester kümmern.«
    »Dich gleich zweimal?«, gluckste sie. Trotz ihrer Schmerzen war ihr wunderbar leicht zumute, fast schon albern. Nicht einmal der abscheuliche Seip konnte sie jetzt noch schrecken. »Ich weiß nicht, ob ich das aushalten würde.«
    Alexander sah kurz in die Richtung, in die der Maori verschwunden war. Dann beugte er sich vor, strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und küsste sie.
    »Du kratzt!«, beschwerte sie sich lachend.
    Er fuhr sich über die Wangen, die inzwischen von hellbraunen Stoppeln bedeckt waren. »Gestern Abend hat es dich noch nicht gestört.«
    »Da waren wir aber auch allein.« Oder zumindest fast. Sie hatten schließlich nichts von einem Zuschauer gewusst. Es schüttelte sie bei dem Gedanken, dass Seip sie offenbar beobachtet hatte. »Dein Freund kann jeden Moment zurückkommen.« Sie blickte in das Farndickicht, wo der Maori verschwunden war. »Weiß er wirklich, wo die Kinder sind? Woher kennst du ihn überhaupt? Und woher wusste er, dass wir die beiden suchen?«
    »Männer von seinem Stamm haben es ihm erzählt. Die, die wir vorgestern auf dem Fluss getroffen haben. Keine Sorge, du kannst ihm vertrauen. Er war mein kaiako, mein Lehrer, als ich bei den Maori war. Er hat mich ihre Sprache gelehrt und sich um mich gekümmert.«
    » Er war das?« Lina nickte, nun weitaus beruhigter. In diesem Fall war der Maori wohl wirklich vertrauenswürdig.
    Schon bald kam Te Raukura mit einigen langen grünen Blättern des neuseeländischen Flachses zurück. Neugierig sah Lina zu, wie der Maori eines der Blätter mithilfe zweier Steine zu einer grünen Paste zerrieb, die er dann auf ihrem Knöchel verteilte. Die restlichen Blätter wickelte er wie eine Bandage fest darum.
    Vorsichtig bewegte sie ihren Fuß. Es tat noch immer weh. Damit konnte sie bestimmt nicht laufen.
    Te Raukura erhob sich. »Ich werde dich tragen«, sagte er und reichte ihr seine große Hand.

Kapitel 21
    Te Raukuras Rücken war wie ein breites, wiegendes Schiff. Nach anfänglichen Bedenken hatte Lina ihre Arme um seinen Hals gelegt und die Hände vor seiner nackten Brust verschränkt. Seine Hände lagen um ihre Kniekehlen – eigentlich ein Unding, weil sie dazu ihren Rock hatte raffen müssen. Aber schließlich hatte er schon vorhin ihre Beine gesehen.
    Obwohl sie sich schwer wie ein Mehlsack vorkam, trug der Maori sie so mühelos durch das Gelände, als wäre sie eine Feder; schweigend, mit großen, raumgreifenden Schritten. Lina hatte sich schnell an das leichte Schaukeln gewöhnt. Es war seltsam, wie ein kleines Kind durch die Gegend getragen zu werden, aber bald schon dachte sie nicht mehr darüber nach. Es war wichtiger, dass sie schnell vorankamen. So schnell wäre Lina mit ihrem verletzten Knöchel nie gewesen. Wahrscheinlich hätte sie langsam durch die Gegend humpeln können, aber das hätte sie alle aufgehalten, und ihrem Fuß hätte es auch geschadet. Alleine zurückbleiben konnte und wollte sie natürlich auch nicht. Nicht, solange dieser grässliche Seip noch in der Gegend war.
    Die Landschaft wurde immer wilder und urwüchsiger. Weiter ging es durch hohes Gras und Büsche, zu denen bald wieder einzelne Bäume kamen. Dann wurden es immer mehr, bis sie wieder in einen dichten, grünen Wald eintauchten. Alexander lief

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