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Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman

Titel: Die roten Blueten von Whakatu - Ein Neuseeland-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inez Corbi
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weißt doch noch, wo Anna wohnt?«
    Rieke nickte und schaute sie fragend an.
    »Sagt Anna und Mr Bensemann, ich … ich müsste für eine kurze Zeit … äh … verreisen. Und dass sie sich bitte um euch kümmern sollen, bis ich wieder zurück bin. Sie oder die Kellings.«
    Julius sah sie verwirrt an. »Wieso musst du denn plötzlich verreisen? Du warst doch gerade erst weg.«
    Auch Rieke machte es ihr nicht einfach. »Ich will aber nicht zu Anna. Ich dachte, wir wollten Kuchen backen.«
    Rieke maulte noch weiter, aber Lina blieb streng. Sie trug ihnen noch auf, den Tucketts Bescheid zu geben, damit diese sich noch ein wenig länger um Sophie und die Tiere kümmern würden. Dann folgte sie den constables .
    Das Gebäude, das den Einwohnern von Nelson als Gefängnis diente, lag mitten in der Stadt in der Shelbourne Street. Es war eine einfache, mit raupo gedeckte Blockhütte mit vier kleinen Zellen. Im hinteren Teil gab es eine Stube für den Gefängniswärter. Lina schien die einzige Insassin zu sein.
    Ihre Beteuerungen, dass sie selbstverständlich nicht das Geringste mit Rudolf Trebans Tod zu tun hatte, dass das alles nur ein großer Irrtum sein musste, waren nutzlos gewesen. »Das wird sich alles vor Gericht klären«, hatte Mr Pendergast lapidar gesagt. Lina hatte ihm angesehen, dass ihm die ganze Sache ausgesprochen unangenehm war.
    Trotz ihrer dringenden Bitte hatten die constables Lina Handschellen angelegt. Und sie wie einen Verbrecher durch den Ort geführt. Überall meinte sie neugierige Blicke zu spüren, aufgeregtes Getuschel zu hören. Und dann der Mann am Straßenrand, der ein Rad an seinem Ochsenwagen reparierte – war das etwa Appo Hocton? Ja, er war es! Seine schrägen Augen in dem schmalen Gesicht blickten sie an, ohne erkennbare Regung. Beschämt senkte sie den Kopf. Was musste er bloß von ihr denken?
    Erst im Gefängnis nahm man ihr die Handschellen ab. Als sich jetzt die Zellentür hinter ihr schloss, sank Lina auf die einfache Pritsche, die an einer der kahlen Wände stand. Die Zelle war winzig, gerade einmal zwei auf vier Meter, und es gab lediglich ein kleines Fenster hoch oben in der Mauer; Licht und Luft kamen sonst nur noch durch ein quadratisches, vergittertes Loch in der Tür. In einer Ecke stand ein Eimer für ihre Notdurft.
    Nur langsam wurde ihr wirklich bewusst, was geschehen war. Sie fühlte sich noch immer wie betäubt, als geschähe das alles einer Fremden, aber nicht ihr. Gerade eben noch hatte sie sich von Alexander verabschiedet und den Kindern eine Aufgabe gegeben, und im nächsten Moment saß sie im Gefängnis. Angeklagt, ihren Mann umgebracht zu haben.
    Das konnte doch alles nicht wahr sein! Wenn die ganze Geschichte nicht so beängstigend gewesen wäre, hätte sie laut darüber gelacht. Aber sicher würde sich dieser ganze Irrtum schnell aufklären lassen.
    Noch während sie ihre Handgelenke rieb, schoss ihr eine andere Frage durch den Kopf: Wer hatte sie bloß angezeigt? Wer hatte diesen ungeheuerlichen Vorwurf überhaupt erst in die Welt gesetzt?
    Eigentlich gab es nur einen Menschen, dem sie diese Gemeinheit zutraute. Demjenigen, der auch nicht gezögert hatte, sie mit einer Waffe zu bedrohen. Und hatte nicht auch Mr Pendergast seinen Namen erwähnt?
    Sie sprang auf, als sie Schritte und das Klappern eines Schlüsselbundes hörte. Gleich darauf erschien das Gesicht des Gefängniswärters an dem Loch in der Tür. Er brummte etwas und reichte ihr dann eine Schüssel Suppe und einen Kanten Brot durch eine Aussparung im Gitter.
    »Danke, Sir.«
    »Musst mich nich’ ›Sir‹ nennen«, brummte der Mann. Seine verschwitzten, leicht lockigen Haare hatte er quer über seinen Schädel gelegt, um die Glatze zu kaschieren. »Ich bin Mills. Richard Mills, aus Portsmouth. Is’ ’ne Schande, so ’n junges Ding wie dich hier einzusperren!« Sein Englisch hatte einen harten, ungewohnten Klang. Lina hatte Mühe, ihn zu verstehen.
    »Darf ich Sie etwas fragen, Mr Mills?«
    »Nur zu. Weiß aber nich’, ob ich dir antworten darf.«
    Sie stellte die Suppe und das Brot auf den Boden neben sich. »Wer hat mich angezeigt?«
    »Das«, sagte Mills und hob bedauernd die Schultern, »is’ genau das, was ich dir nich’ sagen darf, Mädchen.«
    »Es war Mr Seip, nicht wahr?«, versuchte Lina es auf andere Weise. »Hannes Seip, der Agent der Neuseeland-Compagnie.«
    »Darauf darf ich leider nich’ antworten«, sagte Mr Mills. Dann überzog ein Grinsen sein schlecht rasiertes Gesicht. »Aber

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