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Die Rueckkehr

Die Rueckkehr

Titel: Die Rueckkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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Blüten und die grünen Ranken konnte man noch immer erkennen.
    Kate hatte ihm erzählt, die Blüten seien Jasmin und die Tür sei vor langer Zeit von einem Künstler aus Baton Rouge in Louisiana bemalt worden, für eine ihrer Vorfahren, Anora Mercer, und sei ursprünglich Teil eines ganzen Zimmers gewesen, des sogenannten Jasminzimmers.
    Kate zufolge hatte sich das Jasminzimmer im Haupthaus einer Plantage namens Hy Brasail befunden, einem gewaltigen Anwesen im Süden von Louisiana, direkt an den Ufern des Mississippi, das einem entfernten Verwandten von Rainey gehört hatte, einem gewissen London Teague.
    Rainey war aufgefallen, dass Kates Stimme ganz komisch geklungen hatte, als sie London Teague erwähnte, und dass sie dann rasch das Thema gewechselt hatte. Er wusste nicht – und hätte es unmöglich wissen können –, dass die Geschichte des Jasminzimmers vor dem heftigen Traum, den sie vor sechs Monaten geträumt hatte, für sie nur ein altes Märchen gewesen war, das ihre Mutter gern erzählt hatte. Nach dem Traum wusste Kate, dass im Jasminzimmer auch ein Mord verübt worden war. Aber sie hatte die Bretter trotzdem behalten.
    Rainey hatte Kate gefragt, ob die Plantage noch stehe, aber sie hatte traurig den Kopf geschüttelt und gesagt, nein, das sei kein schöner Ort gewesen und er sei von Kanonenbooten der Unionstruppen beschossen worden, als sie im letzten Jahr des Bürgerkriegs den Mississippi heruntergekommen waren. Die Bretter für die Tür hätten zum Letzten gehört, was die Menschen aus den Trümmern hätten retten können, und seien von einem befreiten Sklaven nach Niceville gebracht worden, der seine alten Tage in Savannah bei der Familie Gwinnett zubringen wollte.
    Rainey hatte gefragt, warum die Plantage Hy Brasail geheißen habe, ein komischer Name, und Kate hatte gesagt, er stamme aus einem alten irischen Gedicht, und hatte die Augen geschlossen und es aufgesagt, und das Gedicht war ihm eine Weile im Gedächtnis geblieben, aber jetzt konnte er sich nur noch an die letzte Zeile erinnern, die da lautete:
     
    und er starb auf den Wassern weit von daheim
    Rainey fand es seltsam, eine Plantage nach etwas zu benennen, dessen letzte Zeile so traurig war, und als er allen Mut zusammengenommen hatte und die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, fragte er sich, was aus London Teague geworden sein mochte, dass es Kate so schwerfiel, seinen Namen auszusprechen, und ob darin auch für ihn eine Warnung lag.
    Aber die Tür öffnete er trotzdem.
    Die Küche war sauber und Kate saß mit einem Glas Wein und weißem Rauschen im Kopf am Esstisch und hörte Nick in seinem Arbeitszimmer am Telefon – es klang, als spreche er mit Lemon –, als ihr auffiel, dass Rainey nach seiner Dusche nicht wieder nach unten gekommen war.
    Sie stellte sich an die Treppe und lauschte, aber aus Raineys Bad war kein laufendes Wasser zu hören.
    Weil sie dachte, dass er vielleicht auf seinem Bett eingeschlafen war, schlich sie sich barfuß über den weichen cremefarbenen Teppich nach oben, ganz leise.
    Im ersten Stock blickte sie in den Hauptflur. Raineys Tür stand offen und seine Kleider lagen zwar auf dem Boden verstreut, aber sein Bett war unberührt. In seinem Bad hing noch der Dampf von der Dusche, aber auch dort war Rainey nicht.
    Der Hauch einer Sorge hielt sie davon ab, laut nach ihm zu rufen, als sie an ihrem Schlafzimmer vorüberkam und einen raschen Blick hineinwarf, um zu sehen, ob Rainey sich dorthin verirrt hatte. Aber sie spürte, dass das Schlafzimmer leer war. Die Tür zum Bad stand offen, die Lampen waren ausgeschaltet, die Räume still, dunkel und verlassen, das große Himmelbett stand als Schattenriss vor dem Licht der Straßenlaterne.
    Der Spiegel .
    Kate kam an die Abzweigung zum Seitenflur und sah Rainey mit dem ersten Blick, eine zusammengekrümmte Gestalt, über den Boden des Wäscheschrankes gebeugt, mit dem Rücken zum Flur, den Kopf gesenkt, als habe er etwas im Schoß und starre es an.
    Kate sah hinter ihm den Goldrahmen leuchten und wusste sofort, was Rainey getan hatte.
    Leise ging sie durch den Flur, sie wollte ihn nicht erschrecken, ihre Brust war kalt, die Kehle eng, sie konnte kaum atmen. Rainey saß bewegungslos im Wäscheschrank auf dem Boden, obwohl das Rascheln von Kates Füßen laut genug gewesen sein musste, dass er es hören konnte. Falls Rainey noch etwas hören konnte.
    Sie war bei ihm, zögerte, kniete sich hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er hob den Kopf und drehte

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