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Die Rueckkehr

Die Rueckkehr

Titel: Die Rueckkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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zurückkehren, bevor ihr Todeskampf vorüber war.
    John Gwinnett Mercer war ein reizbarer Mensch und hatte Anoras Verlöbnis mit einem vierzig Jahre älteren Mann, der schon zwei Mal verwitwet war und den Ruf eines Wüstlings hatte, nicht gern gesehen.
    London Teague wollte kein ernstliches Zerwürfnis mit Gwinnett Mercer riskieren, einem wohlhabenden und in New Orleans und Memphis höchst einflussreichen Herrn, und so waren die reitenden Boten ausgeschickt worden, zu einem horrenden Preis.
    Und noch immer klammerte Anora sich ans Leben.
    Geh , dachte Teague bei sich, wenn er ins Zimmer kam und auf sie herabblickte, während die Frauen geschäftig das Krankenbett umschwirrten. Der Gedanke wollte nicht weichen.
    Dieser Unwille, beizeiten zu sterben, war nichts als eigensüchtiges Simulantentum. Er war verweichlicht und weibisch. Anora war wie eine Schauspielerin, die sich weigerte, von der Bühne abzutreten, obwohl ihr Auftritt vorüber war.
    Ihre Eigensucht hatte auf Hy Brasail allen drängenden Geschäften Ketten angelegt. In der Sommerküche war ein trauriges kaltes Abendessen angerichtet worden, altbackene Maisfladen und hartgekochte Eier, eine Scheibe Hammelfleisch und eine Flasche Balthazar de Sillery auf Eis. Ihre Töchter, Cora und Eleanor, bliesen im Wildpark Trübsal, und die beiden ältesten Jungen, Cathleens Söhne Jubal und Tyree, die nicht mit ansehen wollten, wie ihre verehrte Stiefmutter starb, waren nach Plaquemine gefahren, um eine Novene für sie zu beten.
    Alle Sklaven waren mit Anoras Pflege beschäftigt, und weil alle sie liebten, war die Arbeit auf der Plantage quasi zum Stillstand gekommen. Und was ihn das alles kostete …
    Um Himmels willen, Frau .
    Geh endlich .
    Bei Sonnenuntergang betteten die Frauen Anoras siechen Leib auf einen Stuhl mit hoher Lehne und trugen ihn über den Dienstbotenaufgang ins Jasminzimmer, wobei sie leise »Annie Laurie« sangen, Anoras Lieblingslied. Vom Jasminzimmer aus hatte man eine Aussicht auf die große Virginiaeichen-Allee von Hy Brasail, die zu den Kleinoden von Süd-Louisiana gezählt wurde. Die Schaufelraddampfer auf dem Mississippi verweilten oft in der Flussbiegung und ruderten zurück, damit die Fahrgäste an der Reling den Anblick genießen konnten.
    Die Allee bestand aus achtundzwanzig wuchtigen, weit verzweigten Eichen, vierzehn auf jeder Seite, vor langer Zeit von einem kreolischen Kaufmann gepflanzt, der zurück nach Frankreich gegangen war, um gegen Napoleon zu kämpfen, und sich auf den Festungswällen von Valladolid hatte in Stücke schießen lassen.
    Die imposanten Eichen von Hy Brasail beschrieben einen Weg bis ans Flussufer hinunter, über dem Wildpark verschränkten sich ihre Zweige wie zu einer Kathedrale aus grünem Laub. Am anderen Ende der Allee schimmerte im schwächer werdenden Licht der Fluss.
    Dies war Anoras Lieblingsaussicht und sie hatte sich oft ausdrücklich gewünscht, eines fernen Tages einmal mit dem Blick darauf zu sterben.
    Als man sie die Treppe hinauftrug, hatte Anora leise nach Teague gerufen, aber der konnte Krankheiten jeder Art nicht ertragen.
    Er fand sie widerlich.
    Auf seine Order hatte Second Samuel Tecumseh nach vorn vor das Haus geführt. Teague stieg in den Sattel seines großen dickschädeligen Rotschimmels und galoppierte durch die schattige Allee davon, ohne sich noch einmal nach den französischen Fenstern des Jasminzimmers umzusehen, hinter denen sie, wie er sehr wohl wusste, saß und ihm zusah. Am Tor bog er scharf nach links ab, zu einem langen Galopp flussaufwärts, bis hinter das Gut von Telesphore Roman, ungefähr fünfzehn Furlongs weit, und die ganze Zeit dachte er dabei: Wenn die Abenddämmerung kam, war sie bestimmt nicht mehr.
    Aber als London Teague am frühen Abend wieder zwischen den Virginiaeichen hinaufgaloppiert kam, stand Second Samuel als lebender Tadel auf den Stufen zur Veranda und erklärte ihm in seinem breiten westindischen Akzent und mit einem Hauch seines alten Trotzes, die Dame des Hauses kämpfe noch immer tapfer, oh ja.
    Als Second Samuel Teague die Zügel aus der Hand nahm und Tecumseh die zitternden Flanken tätschelte, konnte Teague dem alten Mann an den gelb geränderten Augen und der Haltung des ledrigen Kinns ansehen, dass es in den Sklavenunterkünften Gerede gab.
    Teague sah zu, wie Second Samuel Tecumseh fort zu den Ställen führte, und dachte, dass sein Vorarbeiter noch keine fünfzig war und doch schon ein alter Krüppel. Second Samuel war schon bei Teague, seit

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