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Die Rueckkehr

Die Rueckkehr

Titel: Die Rueckkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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und was an Problemen daraus erwachsen war.
    Und da gab es heute Abend etwas auf dem Balkon, das ihn beunruhigte. Da war etwas, als würde ihn jemand beobachten, abschätzen, und das nicht gerade liebevoll. Er wurde beurteilt .
    Sein Gewissen vielleicht? Wohl kaum. Das hatte sich noch nie gemeldet, und er hatte ihm viel Anlass dazu gegeben. Unwillig schüttelte er das Gefühl ab.
    Am Ende des Balkons lehnte er sich mit einer Schulter an die Säule und blickte in die Nacht hinaus. Rundherum konnte er im Dunkel das Leben der Plantage spüren, unter dampfiger Hitze begraben wie unter einer Wolldecke.
    Zum Schlafen war es zu heiß, also hatten sich die meisten unter den Pappeln an der Pferdekoppel versammelt; rot leuchtete im Dunkel die Glut ihrer Stumpen. Am Mississippi badeten sich Mädchen und sangen dabei »Shall we gather at the river«. Irgendwo unter einer Treppe quengelte ein Balg. Aus dem Jammern wurde ein Schluchzen, das dann zu einem schrillen Jaulen anschwoll und abrupt von einem vollen Klatschen unterbrochen wurde.
    Unter den Zweigen der Virginiaeichen flackerten die Glühwürmchen durch das Hängemoos. Vom Fluss her wehte eine leichte Brise, die den fruchtbaren Duft nach Sauergras und Flussschlamm mit sich trug. Hinter den Fenstern der Hütten leuchteten die Lampen. Der Rauch von Holzfeuern hing im Dunkel, und vom Haus des Aufsehers hinter dem Pfirsichhain her konnte er leise Mandolinenklänge hören. Aus den Stallungen erklang ein tiefes lautes Wiehern, gefolgt von einem scharfen Knall, als Tecumseh an die Balken seiner Box ausschlug.
    Hinter ihm knarrten die Balkonbohlen; er drehte sich um und sah eine schwarze Gestalt im Schatten stehen, gelbliches Licht auf der Wange, die Augen im Dunkel verborgen.
    Talitha.
    Er trat von der Brüstung zurück zu ihr in den Schatten.
    »Was um Himmels willen machst du hier oben?«
    Talitha sprach mit einem kehligen Flüstern. »Sie lebt noch?«
    »Oh ja«, flüsterte Teague heiser und zornig zurück und hielt Abstand von dem Mädchen. »Wie ist das möglich?«
    Talitha trat näher, in den gelben Lichtschein aus dem Fenster. Teague blickte ihr in die mandelförmigen Augen, sah die halb offenen Lippen, die Art, wie ihr das einfache baumwollene Hemdkleid auf dem kurvenreichen Körper lag, ihre hohen Brüste, ihre strammen Brustwarzen unter dem dünnen Stoff. Er nahm ihren Geruch auf und sein Blut geriet in Wallung. Talitha war für ihn wie eine Krankheit. Noch auf einer Sklavenpritsche war sie der Fluch der bösen Tat.
    »Ich weiß es auch nicht. So lange hat noch keine durchgehalten.«
    »Wo bist du gewesen?«
    Sie schwieg, dann blitzte es weiß auf, als sie zu ihm auflächelte.
    »Wieso? Hat Mister London mich vermisst?«
    Wieder diese Impertinenz.
    »Antworte mir.«
    »Ich war drüben bei Thibodaux«, sagte sie mit einem listigen Unterton. »In unserem Versteck. Ich habe gewartet. Ich dachte, Sie kommen mich suchen.«
    »Während Anora im Sterben liegt und im Haus alles drunter und drüber geht?«
    »Früher sind Sie auch gekommen, Mister London. Sie sind oft gekommen.«
    »Du hast Misstrauen erregt, Mädchen. Und jetzt schleichst du dich hier nachts die Treppe hoch. Was, wenn dich jemand gesehen hat?«
    »Ich weiß, wie man sich unsichtbar macht, Mister London. Das weiß jedes kluge Sklavenkind.«
    »Es war dumm von dir, herzukommen. Es war dumm, am gleichen Abend wegzulaufen. Das macht einen schlechten Eindruck. Es gibt schon Gerede. Die Leute sind misstrauisch. Hast du das Tier noch?«
    Sie hob ihre Hände ins Licht. Sie trug ein Nähkörbchen, mit roten Bändern verschnürt.
    »Ja. Aber Ihre Lady hat jetzt die Dienstmädchen um sich. Ich bekomme es nicht mehr in ihre Nähe. Bei dieser Hitze, im Dunkeln, ist es sehr gefährlich. In so einer Nacht beißt es nach allem.«
    Teague schwieg einen Augenblick lang und lauschte den Stimmen aus dem Krankenzimmer, wo eine Kinderstimme »Leorena« sang. Das sangen sie ihr vor, wenn sie schlief. Er widmete sich wieder Talitha.
    »Sie liegt im Sterben. Das ist ein unnötiges Risiko. Du solltest nicht hier oben sein. Geh durch die Sommerküche wieder hinunter. Warte im Labyrinth an der Jupiterweide auf mich. Ich komme zu dir.«
    »Bald? Ich mache, dass Sie die Lady wieder vergessen.«
    »Du darfst mich nicht drängen«, sagte Teague, der wieder wütend wurde. Talitha hielt ihm das Nähkörbchen hin und schüttelte es neckisch. Teague trat einen Schritt zurück. Das Tier in dem Körbchen machte ein Geräusch wie ein Wasserkessel und

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