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Die Rueckkehr

Die Rueckkehr

Titel: Die Rueckkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Stroud
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beobachtete. Sie führte einen Finger an die Lippen, dann blies sie die Kerze aus.
    Unten an der Jupiterweide schwang Talithas Leiche leise im Wind vom Fluss hin und her, eine zertretene Schlange um den Hals gewunden, einen Zettel an das Kleid gesteckt.
     
    Ich hab die Missus totgemacht
Mit der Schlange
und jetzt bin ich tot
Jesus mach mich gesund
     
    Im Spiegel an der Wand des Jasminzimmers stand Anora Mercer und betrachtete ihre eigenen sterblichen Überreste auf der Bettcouch. Dann blickte sie zu der jungen Frau im weißen Nachtgewand auf und lächelte sie an.
    Anora drehte sich um und spazierte einen gewundenen Pfad zwischen Eichen und Weiden hindurch, bis sie an eine sonnenbeschienene Lichtung voller smaragdgrüner Libellen kam. Sie summten und flatterten um sie herum, eine vibrierende Wolke aus grünem Glanz. Sie spürte den kräftigen Trommelschlag ihrer Flügel.
    Durch die Wolke aus Libellen sah sie, wie durch einen grünen Nebel, ein großes Haus an einer mit Sonnenlicht gesprenkelten Straße, gesäumt von moosbehangenen Virginiaeichen. Das Haus war aus gelblichem Stein, es hatte hohe Schiebefenster und die Räume und Möbel leuchteten warm vom Licht der Nachmittagssonne.
    Unten an der geschwungenen Treppe zur Haustür stand ein blonder Junge in dunkelblauer Jacke und grauen Hosen. Er hatte einen Rucksack in der Hand und hielt den Kopf gesenkt, das lange blonde Haar hing ihm ins Gesicht, als hätte er die Frau, die ihn oben erwartete, nicht gesehen. Neben ihm stand noch ein Junge, kleiner, mit braunen Locken, und sie steckten die Köpfe zusammen, als würden sie etwas aushecken. Die Frau in der Tür hatte glänzendes schwarzes Haar, das von einer silbernen Spange zusammengehalten wurde. Sie lächelte zu den Jungen herab. Die Frau sah ihr ähnlich, so sehr, dass sie fast ihre Schwester hätte sein können. Die Frau in der Tür blickte auf, entdeckte Anora und hob eine Hand.
    Anora erkannte sie wieder. Es war die junge Frau in dem weißen Nachtgewand aus den Schatten des Jasminzimmers. Anora wollte ihr Winken erwidern, aber die Vision verwandelte sich in ein strahlendes grünes Flirren und die Libellen nahmen sie mit sich fort.
    London Teague lag in seinem leeren Bett und starrte an die Decke. Er dachte an das Mädchen an der Jupiterweide und ihm graute vor dem Morgen. Die Laterne am Flussanleger schimmerte im Dunkel. Dahinter schob der Mississippi sich weiter in Richtung Golf von Mexiko, in Richtung Bürgerkrieg, in Richtung Zukunft, und ließ die Hy-Brasail-Plantage und all ihre Bewohner in der mondlosen Nacht des Südens weit hinter sich zurück.
    Die Sonnenstrahlen, die durch die Schlafzimmergardinen fielen, weckten Kate. Sie blickte auf den Wecker. Es war kurz vor sieben. Nick war schon auf. Sie konnte ihn unter der Dusche hören. Von unten wehte ein Duft nach Eiern mit Speck herauf, dazu hörte sie Kinderstimmen, Axel und Hannah. Es klang, als würden sie mit Eufaula reden, dem ätherischen jungen Mädchen, das unter der Woche jeden Tag zum Kochen und Putzen kam.
    Kate zog die Decke zurück und schlüpfte aus dem Bett. Sie trat ans Fenster, blickte in den Garten hinunter und sah die Sonne auf den Blumen und das schattige Grün ganz unten, wo die Kiefern und Eichen sich an den Hügel drängten. Sie konnte das schäumende Wasser des Baches sehen, der sich dort durch das kleine Wäldchen zog.
    Sie merkte, dass sie nach Hufabdrücken auf dem Rasen suchte, und da fiel ihr ein, dass sie in der vergangenen Nacht seltsam geträumt hatte, von der Hy-Brasail-Plantage und den Menschen, die dort gelebt hatten und gestorben waren. Sie merkte, wie die Einzelheiten ihr entglitten, und versuchte, sie nicht zu vergessen. Sie hatte das Gefühl, dass sie sich unbedingt an den Traum erinnern musste.
    Als Nick aus der Dusche kam, saß Kate am Schreibtisch, noch immer im Nachthemd, schrieb etwas in ein Notizbuch, mit gesenktem Kopf, eifrig und konzentriert. Sie blickte nicht auf, als er ihr einen Kuss in den Nacken gab. Sie seufzte genüsslich, schrieb aber weiter. Er fragte nicht, woran sie schrieb, und sie verriet es ihm nicht. Sie mochte ihm nicht erzählen, dass sie einen Traum aufschrieb, einen Traum über die Familie Teague, der eher ein Alptraum gewesen war.
    Nick ließ sie dort sitzen und ging sich anziehen.
    Es war Montagmorgen und Niceville wartete auf sie.

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