Die Rueckkehr
Strudel geraten war. Eine Art Jagdhund, der verzweifelt um sein Leben gekämpft hatte. Kate hatte einen Ast genommen und ihn dem Hund hingehalten, damit er sich daran festbeißen und sie ihn herausziehen konnte, und er versuchte es auch, aber am Ende war er einfach untergegangen, ohne dabei den Blick aus seinen großen braunen, weiß umrandeten Augen von ihr zu wenden. Sie hasste Pattons Hard genauso sehr wie Crater Sink.
Am anderen Ufer gingen in der sich herabsenkenden Dämmerung die Lichter am Long Reach Boulevard an. Im letzten Abendlicht konnten sie beide die Spuren, denen sie gefolgt waren, genau erkennen.
Die Spuren liefen die steile Böschung hinunter und verschwanden dann im Tulip River.
Lemon trat dichter ans Ufer und leuchtete mit der Taschenlampe in den Fluss. Im trüben Wasser konnte er ein blasses weißes Rechteck ausmachen. Wenn der Lichtstrahl darauf fiel, leuchtete die weiße Reflexionsfarbe auf dem Rechteck viel heller. Auf dem weißen Rechteck standen große blaue Zahlen. Es war ein Nummernschild. Er hielt die Lampe dichter über die Wasseroberfläche.
Hinter sich konnte er Kate flüstern hören.
»Lemon. Du darfst hier auf keinen Fall in den Fluss fallen.«
Er blickte in den hellen Lichtkegel hinab. Das Nummernschild hatte sich in den Weidenwurzeln verfangen, ganz wie er gehofft hatte. Es hing an etwas viel Größerem, etwas Rundem aus Metall, und es war dieses größere Ding, das sich in den Weidenwurzeln verfangen hatte wie ein Stier in einem Netz.
Er richtete sich auf, drehte sich um, und Kate zog ihn wieder die Böschung hinauf, wobei er im glitschigen Schlamm immer wieder mit den Stiefeln abrutschte. Dann hatten sie wieder festen Boden unter den Füßen.
»Ist es dort?«
»Ja«, sagte Lemon, »es ist dort. Ein Kleinwagen. Hellblau, glaube ich. Ist das Ufer runter, aber anstatt ganz auf den Grund zu sinken, hat er sich in den Wurzeln der vielen Weiden verfangen.«
»Konntest du die Marke erkennen?«
»Nein. Ich habe die Autonummer. KT987Z . Kennst du sie?«
Kate versank in sich und kehrte dann zurück.
»Du wolltest sagen, ist das Alice Bayers Autonummer?«
»Ja, Kate. Ich glaube, das wollte ich sagen.«
»Ich kenne ihre Autonummer nicht. Ich weiß, dass sie ein kleines blaues Auto gefahren hat.«
Sie schwieg und wartete, dass ihr die richtigen Worte kamen.
»Wir werden die Polizei rufen müssen, oder?«
»Ja«, sagte Lemon ganz sanft. »Das werden wir wohl.«
Wenn Gott das Universum aus nichts gemacht hat, macht das Universum sich dann auch nichts aus Gott?
Im Grunde ging es Rainey und Axel nicht anders als allen Kindern, die richtig Ärger mit den Eltern hatten. Es wurde dunkel und sie hatten Hunger, aber sie konnten sich beide nicht überwinden, in eine Straßenbahn in Richtung Heimat zu steigen.
Jedenfalls jetzt noch nicht.
Sie saßen in der Peachtree-Straßenbahn. Seit Stunden. Seit sie das Haus von Raineys Mutter am Cemetery Hill verlassen hatten.
Die Peachtree-Straßenbahn war eines jener altmodischen dunkelblau-goldenen Ungeheuer, für die Niceville berühmt war. Sie war schwer wie ein Panzer, ruckelte und zuckelte durch die vollen Straßen der Innenstadt und bog dann nach Osten in Richtung Armory Bridge ab, die ein paar Straßen südlich des Pavilion den Fluss überquerte.
Im überheizten Waggon drängten sich Büromenschen auf dem Heimweg nach einem langen Arbeitstag und ein paar Kinder aus der Saint Innocent Orthodox School, deren uncoole Outfits Axel und Rainey aus einer Meile Entfernung ausmachen konnten.
Axel und Rainey hatten ihre Regiopolis-Blazer zusammengefaltet und in die Rucksäcke gestopft. Rainey saß am Fenster und blickte über den Fluss zum Fuß von Tallullahs Wall hinüber. Axel tippte auf seinem iPad herum, was er, fand Rainey, besser nicht tun sollte, weil es vielleicht einen Weg gab, es aufzuspüren, wenn es eingeschaltet war. Deshalb hatte er den Akku aus seinem Handy genommen. Axel hatte ihm erklärt, nur so könne man ein Motorola-Handy ganz ausschalten. Axel wusste so etwas, weil sein Vater mal beim FBI gewesen war. Axel machte sich wirklich in die Hosen, weil sein Vater auf der Flucht war. Er wollte nicht plötzlich vor ihm stehen, aber dass die Polizei ihn erschoss, wollte er auch nicht.
Sie hatten beide kein einfaches Leben, aber sie konnten nicht viel machen, also spielte Axel Grand Theft Auto, und Rainey starrte aus dem Fenster.
Um diese Jahreszeit ließen die letzten Strahlen der untergehenden Sonne immer die Eichen und Weiden
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