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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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verkrümelte sich unter einem Schotterhaufen. Die Bettler beobachteten ihn von fern, schweigend unter einem Stück Zelt, und da sah er die Buchstaben
    RESIDENCIAL APÓSTOLO DAS ÍNDIAS
    in gelber Farbe neben einer offenen Tür oder dem, was einmal eine Tür gewesen und jetzt nur noch eine Art zerlöcherte Absperrung war. Ein Mädchen in Männerschuhen kippte eine Kiste in eine mit Schalen, Insektenvernichtungsmittelschachteln, Kompaßzifferblättern und leeren Sirupflaschen gefüllte Grube aus. Senhor Francisco Xavier, ein dicker Inder in Sandalen, empfing ihn in der Pförtnerloge am Eingang, umringt von einem Dutzend kleiner Inder, die ihm alle ähnlich sahen, Sandalen trugen, auch dick waren und unterschiedlich groß wie die Tasten eines Xylophons. Es roch nach Schlaflosigkeit und Fußschweiß, es herrschte der Viehstallgeruch der Armut, und man konnte das Wandern der Wolken durch die Öffnungen im Putz verfolgen. Als ob hier auch Krieg ist, dachte Pedro Álvares Cabral, als ob eine Mörsergranate die Häuser zerstört hat.
    – Ich bin aus Moçambique, klärte ihn Senhor Francisco Xavier mit heidnisch aufgeweichtem Akzent auf, während er die mit dem Wappen des Schreibers gestempelten Ausschiffungsbelege einsammelte. Und er stellte sich den Goanesen vor, wie er, eine in der Spucke der Kinnladen ausgegangene Zigarre im Mund, im Wald Gestalten mit acht
Beinen anbetete oder, die Überzeugungskraft seines Bauchumfanges voranschickend, von Markt zu Markt ziehend Taftstoffe feilbot. Draußen hörte man die Landstreicher kreischend streiten, und die Tauben kehrten mit dickem Kropf auf die Dachfirste zurück, und, indem ich mich vorbeugte, konnte ich sehen, wie der Ziegenbock zwischen den Steinen und den verlassenen Häusern zitterte, über die sich um mich herum langsam die Nacht legte.
    – Haben die Ihnen nicht gesagt, daß Sie fünftausend Escudos Einstand zahlen müssen?, wunderte sich Senhor Francisco Xavier.
    Das Mädchen mit der Kiste kam mit sich selber redend wieder zurück und verschwand im Schlund einer Treppe: Die Schuhe mit den offenen Schnürsenkeln blieben am Rand der Stufen hängen. Gewisper und Weinen breiteten sich im Dunkel der Herberge aus. Irgendein Vogel pfiff stranguliert im Loch des Mörtelschutts einer Ecke.
    – In Beira habe ich drei Kinos und ein Haus mit Swimmingpool gekauft, sagte Senhor Francisco Xavier, während er die leeren Arme eines gestürzten Despoten vorwies. Drei Kinos und eine Villa vor den Karavellen im Hafen, natürlich ohne die Dienstboten mitzuzählen, und wenn jemand mir versichert hätte, daß ich einmal diese Spelunke hier führen würde, hätte ich mindestens einen Nachmittag lang gelacht. Allein die nichtbezahlten Rechnungen der Gäste bringen mich um den Verstand. Wo wir gerade von unbezahlten Rechnungen reden, Mann, kommen die fünftausend Escudos nun endlich rüber, ober was? Drei Kinos, Scheiße. Und unterschreiben Sie mir diese Quittung hier, damit ich Ihre Unterstützung bekomme, das ist in der
Apóstolo das Índias üblich, verstanden? Ehrlichkeit auf der einen Seite gegen Ehrlichkeit auf der anderen.
    Die Mulattin ließ die Koffer und die Taschen mit einem Ohnmachtsplopp fallen. Trotz der Brunnenstille der Uhren mußte es acht Uhr sein, da sie die Markisen der Nachtclubs von Santa Bárbara aufklappten, und Typen mit Goldtressen, die wie Faschingsfähnriche gekleidet waren, kontrollierten den komplizierten Verkehr von Kunden und Huren. Die Tauben wurden auf den zerbröckelnden Fensterbrüstungen unruhig, und er dachte, daß Lixboa ohne die chinesischen Restaurants die häßlichste Stadt auf Erden war. Er dachte, indem er ein Wespennest in den Dachsparren anschaute, Wo bekomme ich jetzt die fünftausend Escudos her, um den Dicken zu beruhigen, und da kreischte jemand im Dunkeln, He, Xavier, der Inder sagte zu uns, Warten Sie einen Augenblick, ich komme gleich wieder, und machte sich sandalenklappernd, vom Xylophon der Kinder gefolgt zu den Speisekammern, Treppenabsätzen, Zimmern, Kellern und Tunnels der Pension auf.
    Und so warteten sie vor dem Geheul des Stechginsters und dem Röcheln des Augusts in der Eingangshalle: Die Frau und der Junge schätzten vollkommen stumm, krumm und reglos in der wachsenden Dunkelheit alles ab, überprüften alles, durchforschten alles, die ziellosen Tausendfüßler, die toten Käfer, die stillen Eidechsen auf den Erhebungen des Daches, die Nacht und die Milchstraße der Laternen des Martim-Moniz-Platzes, die kein Finger entwirrt, und

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