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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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des Regierungspalastes ein und aus, traten verächtlich auf die Fliesen der Macht. Das Räuspern und Spucken der Menschenfresser des Bärtigen pfiff im unteren Stockwerk Wut und Befehle, genau unter unseren liegenden Nacken, und die Frau sagte mit einem Raunen, das aus dem Inneren ihrer Enttäuschung und ihres Elends herrührte, Ich gehöre nicht hierher, und wiederholte leise, Ich gehöre nicht hierher, genau mit der Stimme der Braut auf dem Foto. Ein großes Passagierschiff näherte sich dem Kai und drohte Bissau mit der Klinge seines Bugs zu zerstören, auf dem eine aus Holz geschnitzte Nixe mit riesigem Becken den Schaum mit dem goldenen Vlies ihres Geschlechtes teilte: Wir gehören jetzt nirgendwohin, antwortete der Mann, indem er auf das von Wimpeln, königlichen Emblemen gekrönte Schiff wies, mit der Standarte des Admirals Afonso de Albuquerque am Hauptmast, die über den Gesimsen, den Kränen, den Ladebäumen
und den Nadelfontänen der Palmen schwer zu erkennen war. Sie wickelten das Hochzeitsfoto und die kleine Schatulle mit den Perlmuttschwänen ein, in der sich tausendjährige Erinnerungen stapelten (ein Saphirring, ein Schnuller, kleine Fátimamedaillons, ein mageres Mädchenprofil), der Mann steckte das übriggebliebene Geld in die Strümpfe, die gewaschen werden mußten, und legte sich in langer Unterhose, im Bewußtsein des Regens, der seinen Schlaf trübe machte, aufs Bett und dachte an das Segelschiff, das sie nach Europa bringen sollte, mit seinem unter den dunklen, von Adamastoren und feuchtschweren Wolken schlaffen Takelwerk. Wie gewöhnlich in den letzten Nächten rollte die Ehefrau im Schlafzimmer noch stundenlang den grauen Star, während sie sich, von den Sehnen der mit den Sommersprossen des Alters gesprenkelten Pulse an die Eisen des Bettkopfes gefesselt, an die Hyazinthen der Beerdigung der Tochter erinnerte. Vergiß nicht die Nähmaschine, war das letzte, was der Mann hörte, bevor sie in ein Komagelee versank, in dem aus der Dunkelheit exhumierte Trugbilder der Vergangenheit schwebten. Und am trotz des graphitgrauen Himmels trockenen Nachmittag darauf kämpften sie sich durch die Menge der Schwarzen, die sich am Kai in der Hoffnung auf von den Schauerleuten verschmähte Fässer mit Fischen oder Konsolen und Schränke drängelten. Wegen des ausbleibenden Regens kamen Albatrosse und blinde Albinoneger aus den Grotten der Waggons, um in einem Wirbel aus Geschrei über den Fregatten zu kreisen. Die Steine im Hafen glänzten von Wasser oder bewegten sich voller Quallen, und plötzlich glaubten sie den bärtigen Nachbarn zu erkennen, der mit der Pistole
Neger verscheuchte, um die Treppe zum Deck freizumachen, auf der eine Reihe Passagiere, die genauso alt waren wie sie, hintereinander, auf die speckigen Geländer gestützt, hinaufstiegen. Das Meer dickte um die Propeller zu einem Schleim ein, der die Gier der Blinden und der Vögel erregte. Die Mangobäume und die Strohhütten von Bissau verschwanden aus den Bullaugen. Schiffsjungen in Streifenhemden hatten die Wanten geentert, um die Zirkuszeltplanen der Segel zu setzen. Die Frau hatte auf der unteren Matratze der Koje den Ellenbogen auf die Nähmaschine gestützt, die ein Streifen Sackleinen vor dem Kochen der Wellen schützte. Nach drei Monaten Reise erschien inmitten des Granits der Wolken eine matte, pfirsichfarbene Sonne, und kurz darauf sahen sie in der Ferne Lixboa mit seinem unaufhörlichen Gebrodel eines syrischen Marktes, den Mauern einer Burg, brennenden Judenscheiterhaufen, Prozessionen von Flagellanten, gleichzeitig herumfahrenden Sklavenkarossen, Kreuzern und Fahrrädern, Damen mit unveränderlich gütigem Lächeln und Metallabzeichen am Rockaufschlag verteilten sie auf Busse mit Drei-Dioptrien-Windschutzscheiben, die am Kai parkten und dann an den Macken der Straßenbahnen und den langwierigen Darmentleerungen der Maultiere entlang bis zur Eingangshalle eines Fünf-Sterne-Hotels nicht weit von einem klösterlichen Gymnasium und einer Reihe sterbender Akazien fuhren, an dessen Tresen, gleich an der Ecke bei den von Finnen in kurzen Strandhosen bewohnten Sofas, zur wie bei einer Fischversteigerung gesungenen Verteilung der Suiten geschritten wurde.
    Nach dreiundfünfzig Jahren in einem Kabuff in Bissau, wo sie unter den Mücken und dem Nieselregen der kühleren
Jahreszeit gelitten hatten, fiel es ihnen schwer, sich das unendliche marmorne Dame-und-Mühle-Brett des Fußbodens vorzustellen, die Hibiskus-Wandbehänge, als Husaren

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